Montag, 27. August 2007
CYB3RPUNK | N.C. Purgatory Hood
Topic: 'CP-locations'

< norcal | night city | purgatory >

Das Purgatory in der alten Schiffahrtskirche in der Amsterdam Avenue 14, South Night City, East End zwischen 31. und 32. Straße, war einst ein in der Gegend recht beliebter Chromer Nachtclub, ehe die ansässige Gang der Hellions den Fixer des P. verscheuchte und wenig später vor den heranrückenden Baggern (und flankierender CorpSec) der neuen Konzernzone “Osthafen” kuschen mussten.

Heute steht die alte Schiffahrtskirche leer. Lediglich die Teilerneuerung des umgebenden Zaunes und ein tückisches Monowire-Topping sind ein Hinweis darauf, dass es noch irgendjemanden geben muss, der an der Sakralruine ein Interesse hat.

Die Nachbarschaft des P. war noch bis 2034 eine wenn auch eher “gemäßigte” Kampfzone. Heute ist es eine sich vom Kollaps erholende, aufstrebende CorpZone.

Vereinzelt sieht man noch Tags der Hellions (Keltisches Kreuz im Kreis mit Teufelshörnern), der früher hier dominanten Gang, die meisten der alten Tags sind aber schon übermalt oder samt dem Gebäude, an dem sie waren, entfernt.

Die Straßenbeleuchtung der Gegend funktioniert wieder, alte, kaputte Dataterms wurden durch pfuschneue V-Terms ersetzt. Die Nachbarschaft wird im Osten von verfallenen Hafenanlagen begrenzt, die bisher nur zum Teil (und wenn, dann zur Anlieferung von Baumaterial für die ewig hungrigen MegaCon Baustellen) erneuert wurden. Den Südabschluss bildet ein breiter Kanal, der bei Flut seicht mit Wasser gefüllt und sonst trocken ist.

Die Gebäude der Umgebung waren und sind nüchtern geformte, teilweise renovierte, teilweise neu gebaute oder im Bau befindliche Wohn-/Geschäftsblocks.

In der 31. Straße befand sich früher ein interessanter Strip aus Nachtclubs, Bars, illegalen Arenen und Sextreffs. Dieser ist heute zum Teil durch eine neue Mall überbaut, die Nordseite des Strips ist teilweise geräumt und leerstehend, teilweise schon “reurbanisiert”.

Auch ein STARJACK Diner, einen neuen Automatenwaschsalon und ein neues CinemaxXit gibt es jetzt hier.

< umgebung >

Nördl. Nachbar der Schiffahrtskirche:
Trauma Team Service Center (Kleines Ärztehaus für Nahversorgung,
Pharma-Shop und Beratungscenter für TT Verträge)

Östl./Südl. Nachbar:
Yum Yum Yakatoma (Fischfabrik, 2034 pleite gegangen, heute verlassen und verschlossen, neue Umzäunung)

Westl. Nachbar:
Neu errichteter „Daitokai Insurances“ Bürokomplex

< der strip >

Nordseite von West nach Ost:
Starjacks Coffee (Statt Medusa’s Dungeon SM Club), BallBuster (XXX VR/Video Shop, drei eigene Sicherheitsleute), Pleasure Island (Asiatischer Table Dance Laden, Fake Tropical Stil), H&H (früher kleine Hemp&Hump Bar mit Mini-Puff, heute nur Cocktail Bar, in Zimmern oben noch immer Nutten), Radical Boots (Fetisch-Schuhe, Inhaber neu Francine Richards), WASH&go Automaten-Waschsalon (statt Steelbolt SM Club)

Südseite von West nach Ost:
24-7 Eastside Mall, The Bad Cave (früher SM/Chromer Club, heute gepflegte Music Bar mit leichtem SM Touch)

< gangs >

Bushido Blades
ehem. Booster Gang, jetzt GoGang (Kids). All-Asian, All-Male, Bikes, jeder Bushido hat „Hentai“ (Girl in Schuluniform als Freundin/Sklavin/Dienerin/Maskottchen). Chef Akura (Erwachsener, noch von alter Gang), Lietnants Fu + Katana, Tag: Sonne + Katana.

Rabid Rastas
Dorpher Gang, südlich, All-Black, All-Male, All-Rasta, dealen Drogen, Kennzeichen Rasta-Mützen und Dreads, Chef Bad Mojo (Fixer), Rest nur noch Reste (Mojos Body), Low Profile

7 Hills Coven
Poser Gang, 2034 aufgelöst

Twisted Widows
Protector Gang, 2034 aufgelöst

Barets
Yo Guardian Gang, westlich in der Mall bei Gibson Highway, kommen nur nachts raus, Military-Style, Nightgoggles, pseudomilitärisch, Chef Captain Lundee (16), Ltd. Wes (14) und Pacifica (14). Tag: Glow-In-The-Dark Zeichen, die nur sie selbst verstehen (Zinken).

The Bad Bad Girls
Party Gang, verschwunden

Water Rats
Nomads, 2033 zu Terroristen kriminalisiert und von CorpSec/NCPD gejagt. Falls noch in der Stadt VERY low profile. Gerüchte, dass die WR einen Hideout in einer vergessenen Untersee-Basis von OTEC aus dem Konzernkrieg haben und über min. 1 Orca Sub verfügen (true, immerhin fährt Cleo das Ding )

Scabs
Protector Gang der Anwohner, 2034 mit Anrücken der NCPD im Einvernehmen der Mitglieder aufgelöst, da nicht weiter benötigt (die Mitglieder wohnen hier überwiegend noch immer, alles Snoops)

Bonehedz
Booster, Skinhead-Hassgang, besitzen noch immer 1 Panzer, Sitz unbekannt, Namen der Mitglieder unbekannt. Tag Swastika aus Knochen. Nicht tot zu kriegen.

< der kirchplatz >

Das eigentliche Kirchengelände ist von einem Ziegelsockel (1m) und Metallzaun umgeben, über den Metallschrott (Autotüren, Platten, Kistenteile) geschweißt wurde. Die obere Kante des Zaunes wird aus Stacheldraht und MONOWIRE gebildet. Der Zugang erfolgt durch ein Doppel-Tor (verschlossen, Stahlkette, Schloss).

Das Ex-Purgatory ist eine neoromanische Kirche in Ziegelbaustil in der Mitte des Platzes, auf dem rundherum Autowracks stehen und Müll vor sich hinrostet. An der Kirche befindet sich ein Kirchturm, an dem vertikal Reste des Clubnamen (P—ATO–) in Leuchtstoffröhren hängen.

Zur Schiffahrtskirche gibt es 4 Zugänge: eine Front-Doppeltür (durch NEUE! Doppel-Stahltür ersetzt, zu), im Doppeltor eine kleine Tür (nur gebückt zu passieren), eine Tür in der linken Seitenwand (Notausgang) und die Kirchturmfenster auf dem Dach. Außerdem gibt es Gerüchte über min. 1 Geheimgang.

< drinnen >

Die Schifffahrtskirche ist eine sehr alte Kirche, die angeblich schon vor dem Bau von Night City an dieser Stelle existierte. Das Kirchenschiff umfasst ca. 50m x 20m, ist ca. 12m hoch, und die Fenster nach Außen sind mit Metall-Shuttern verschlossen. Die Decke ist geschrägt mit offener Dachkonstruktion darunter, in der früher Lichtstrahler, Boxen etc. hingen. In der Mitte des Kirchenschiffs wurde der Boden entfernt (Blick in ehem. Krypta, früher Dancefloor). Gegenüber des Eingang ist etwas erhöht der Altarbereich (früher Theke, dreiteiliger Altar war Schrank für Flaschen), darüber war auf einem Baugerüst früher die Bühne für die Bands. Direkt neben dem Eingang befindet sich der Aufgang zum Chor/Orgel, wofrüher die “VIP Balkoniere” war. Heute sind hier jede Menge Einschusslöcher von außen und innen zu sehen. Die Sakristei war früher das Büro des Clubs, die Grabkirche im Untergeschoss war die “Base of Operations” von Schlips. Zu dieser führt Metallstiege direkt neben der Sakristei hinab.
Link (0 Kommentare)   Kommentieren
CYB3RPUNK | N.C. Babylon Projects Hood
Topic: 'CP-locations'

< norcal | night city | babylon hood >

Status: Outside, under NCPD Supervision

1 Budget Appartments Building 25

Ein billiger Wohnblock der Firma Budget Living, die seit 2026 Immobilienbesitz insolvent gegangener Wohnungsbaugesellschaften in der Combat Zone aufkauft. Besitzer von Budget Living ist die Wohnungsgruppe NCHG (Night City Housing Group), eine 100%ige Tochter von CityCon. Budget beschäftigt Sicherheit von Budget Security (die aber außer dem Namen nix mit der Firma gemein haben) und richtet das Allernotwendigste her. An sich leisten sie gute Arbeit, aber man mutmaßt, dass Budget nur Immobilien-Grabbing betreibt, sich Zuschüsse der Stadt-IG abgreift und dann wartet, bis es die Gebäude bzw. den Baugrund teurer verkaufen oder umgekehrt zu Sonderkonditionen an CityCon abtreten kann.

2 The Ark Arcade

Einst ein Vergnügungszentrum mit Arcade Shops, Billard, Bowling, Kino etc., heute ein beliebter Treffpunkt für Gangs und Punks, mit Underground-Konzerten, Bowling und der zum Braindance-Puff umgerüsteten Arcade Hall. In der ehemaligen Tiefgarage war bis zu seiner Schließung 2034 der Booster Club „The Overkill“.

3 Budget Appartments Building 28

Siehe 1. Die Bewohner dieses Komplexes waren von der Wohltätigkeit von Budget nicht überzeugt und hatten bis 2033 das Haus besetzt. CityCon hat daraufhin die Booster/Biker Gang Pale Riders angeheuert, um die Hausbewohner zu terrorisieren. 2034 war das Haus leer und steht nun zum Abriss bereit.

4 Neuer Rohbau

in Arbeit.

5 Budget Appartements Building 56

Siehe 1. Das Gebäude ist 2033-2034 „renoviert“ (d.h. kosmetisch in Stand gesetzt) worden und voll vermietet.

6 Searose Appartements

Ein eilends hochgezogener Wohnbau für junge Familien in Einheitsarchitektur. An der kurzen Seite ziehen sich Feuertreppen bis hinauf. MegaCon

7 Parker Building

Ein Bürokomplex, der nie vollends fertiggestellt wurde. Im Inneren übersäht mit zerbrochenem Glas und Graffittis. Beherbergt einen hohen Anteil Dorpher, von denen die halbwegs passabel aussehenden weiblichen Zombies gerne von Gangs der nördlichen Nachbarschaft (den Stone Headz, einer Skin-Hassgang) besucht werden.

8 KoreanWays

Ein nondeskriptes Beton-Lagerhaus mit südlicher Belade-Plattform für bis zu 10 Lkws. Der Grund unter dem Gebäude hat sich etwas abgesenkt, daher steht es nun schief. Bewohnt war es trotzdem eine Weile lang von 50 Squattern. Diese wurden 2034 entfernt. Jetzt ist der Komplex umzäunt, mit großen Bauschildern, welches Projekt hier gebaut werden soll.

9 a+b East End Mall

Eine ausgedehnte Mega-Mall, die komplett renoviert wurde und wieder in Betrieb ist. Auch die riesige, einst überflutete Tiefgarage ist wieder instand gesetzt.

10 CHOOH2 4U

Anfang des Jahres 2035 neu eröffnete Tankstelle

11 World Parcel Service NC East End

Eine langgestreckte Paketverladestation. Das Dach war früher eingestürzt, ist aber wieder renoviert und der Betrieb wieder aufgenommen. Reste von Baugerüsten zeugen von vergangener Renovierung. Der Zaun an der Ostseite wurde gerade erneuert.

12 T-Mex Bar

Früher ein Taco Joint, zwischenzeitlich ein billiges Suff-Loch, in dem Ratten und Straßenhunde, Hundefutter und anderes Zeug als Taco-Füllung angeboten wurden. Dann eine Weile lang wieder ein Taco Joint (und Suffloch) mit Glücksspielen im OG. Das T-Mex Gebäude wurde 03/2035 von der BuReloc geräumt (siehe Story “Remains”).

13 Babel Towers

Neu errichtetes Wohnprojekt in moderner Einheitsarchitektur mit integrierterr Mieter-Mall.

14 Warehouse von Lee Wan’s Imports

Verlassener Ziegelsteinbau mit vermauerten Fenstern.

15 Warehouse von Asean-Pacific

Ein blassroter, Ziegelsteinbau mit kleinem Aufbau und teilweise zerstörtem Schild auf dem Dach (Name in Englisch und Koreanisch, Firmenlogo). Das Gelände ist mit einem Drahtzaun umgrenzt, der aber fast völlig kaputt ist. Nur das mit mehreren Vorhängeketten verschlossene Tor hängt unverrückbar fest. Das Gelände hat einen eigenen Anlegesteg.

16 Seaside Appartments

Ein nondeskripter Wohnblock, in den 2010ern eilends von korrupten Mafia-Baufirmen hochgezogen. Der Block ist weiterhin Mafia-kontrolliert, regelmäßig gehen Eintreiber durchs Haus, ab und an wird sogar etwas repariert. An der Nordecke gibt es einen Automatenwäscherei und eine Pizzeria mit vermauerten Schaufenstern. Die Top-Etagen im Südturm werden von Prostituierten bewohnt.

17 East End Parking

Ein offener Betonblock mit Parkmöglichkeiten auf 3 Keller- und 4 Hochebenen. Das Parkhaus wird durch die East End Rippers beansprucht, einer bunt zusammengewürfelten Truppe von bewaffneten Kids, die meist aus der Gegend kommen.

18 Warehouse von Panama Goods & Imports

geplündertes, einstmals bedeutendes Lager und Umschlagplatz für Importe aus Südamerika, in spektakulärem Fight zwischen NCPD und Drogenbaronen 2014 völlig zerstört. Noch heute Boden voller Shells, Schilder an Zaun: „Vorsicht! Minen!“. Auf Dach liegen Trümmer eines abgeschossenen AV-4 (ausgeschlachtet).
Link (0 Kommentare)   Kommentieren
CYB3RPUNK | 2035+
Topic: 'CP-articles'

Leben und sterben in 2035+

2035 ist eine Zeit des abklingenden Chaos. Nach einer Ära des Wandels und der damit einhergehenden Angst, ist das Bedürfnis nach Ruhe, Ordnung und Führung zum wichtigsten Aspekt öffentlichen Denkens und Handelns geworden. Nachdem die demokratische Ordnung sich als unfähig erwiesen hat, die Bevölkerung vor Technoschock, Carbonseuche, Konzernkrieg, Cyber-Irren und Gang-Gewalt zu schützen, hat die Bevölkerung die Umkehr des amerikanischen Rechtssystems und der Weltordnung weitgehend willens über sich ergehen lassen. Der Wandel der letzten Jahre hat dabei einige Phänomene und neue Klassen hervorgebracht, die hier kurz erläutert werden sollen.

■ Feeling. Nach einer Ära des Wandels und der damit einhergehenden Angst, ist das Bedürfnis nach Ruhe, Ordnung und Führung zum wichtigsten Aspekt öffentlichen Denkens und Handelns geworden. Nachdem die demokratische Ordnung sich als unfähig erwiesen hat, die Bevölkerung vor Technoschock, Carbonseuche, Konzernkrieg, Cyber-Irren und Gang-Gewalt zu schützen, hat die Bevölkerung die Umkehr des amerikanischen Rechtssystems und der Weltordnung weitgehend willens über sich ergehen lassen.

■ Highrider. Das sind die erwachsen gewordenen Kinder jener Arbeiter, die – meist zu Hungerlöhnen und unter katastrophalen Bedingungen – im sklavischen Dienst für Erdregierungen und -konzerne jene Orbital- und Offworld-Kolonien schufen, von denen die Weltwirtschaft heute zu großen Teilen abhängig ist. Gewiss wäre es den Highridern unmöglich gewesen, die Unabhängigkeit des Orbits und der Kolonien zu erstreiten, hätten sie dabei nicht Hilfe von Groundside gehabt. Und zwar von denjenigen neuen Megakons, die in der Schaffung eines von jeder Erdregierung freien „über-globalen“ Handelsraumes enorm zu profitieren hofften.

■ Angelion. Kern der Highrider-Revolte waren jene Unternehmen, deren Hauptwirtschaftszweck die Errichtung und der Betrieb orbitaler Installationen ist. Und die demzufolge natürlich auch hauptsächlich Highrider beschäftigen. Aus den Absprachen der Highrider-Konzerner solcher Unternehmen wie Orbital Air, aber auch staatlicher Akteure wie der European Space Agency (ESA) entstand der erste konzernübergreifende Interessen-Verband im neuen, orbitalen Wirtschaftsraum: Die Celestial IG. Hatte diese im Steinbrockenkrieg noch sowohl zivile als auch militärische Aufgaben zur Befreiung des Orbits zu bewerkstelligen, hat sie sich inzwischen zur Angelion IG umfirmiert und damit die PR-mäßig sprichwörtliche weiße Weste angezogen. Heute ist Angelion der zentrale orbitale Dienstleister, der den anderen Orbitalen IGs das ungehinderte Wirtschaften ermöglicht.

■ Orbitals. Gut die Hälfte der Industrien und Wirtschaftsbereiche sind heute in IGs organisiert. Das ist an sich nichts besonders Neues, hat aber eine neue Qualität bekommen: Während früher Megakons desselben Wirtschaftssektors meist die schärfsten Konkurrenten waren und lediglich Repräsentanten in einer gemeinsamen Lobby unterhielten, haben die neuen Megakons ihre Interessen miteinander verbunden und damit letztlich den Prozess der Zentralisierung und Ballung von Macht fortgesetzt: Ebenso, wie in den 1990ern aus einzelnen Großunternehmen Megakonzerne wurden, haben sich nun mehrere Megakonzerne zu IGs als neuer wirtschaftlicher „Supermacht“ zusammengeschlossen. Vereint zu einer einzigen Stimme, die de facto ihren jeweiligen Wirtschaftsbereich vollständig dominiert, haben die Megakons (bzw. deren IGs) einen Hebel entwickelt, weltweit jede Regierung nach Belieben zum Einlenken zu bewegen oder sie hinwegzufegen.

Name -- Wichtigste Branche(n) -- Namhafte Mitglieder (Auswahl)
Angelion -- Raumfahrt, Offworld Services -- OA, ESA, Terra Nova, Global Electric, Utopian
Genius -- Pharma, Chemie, Genetik -- Biotechnica, Feizar-Aventis, Norcross, U-Genix
Merkur -- Banken, Versicherungen -- BOC, CréditGroup, EBB, Morgan-Sumitomo
Helios -- Energiewirtschaft, Transport -- Vandersson, Axxom, Global Motors, Xiaoping-Burton
Ares -- Waffen, Militäroperationen -- Kendachi-Carlyle, American Militech, Xian-Su
Avalon -- AgriCorps, Handel -- MallMart, Good Earth Foods (Petrochem), 24seven
Daedalus -- Hardware, Software, Implantate -- Microtech, EBM, iTek, SAB, Seraphim, Raven
Otaku -- Web Services, Medien -- GlobeNet, WNS, Net54, WorldSat, ViVi, Nu!Life
Inanna -- Beratung, Dienstleistungen -- centurial, Infocomp, MacKingsley, MA&F, NLP, TTI
Babylon -- Baubranche, Großprojekte -- Mega Construction Group, Horch+Tiede, Leonardo
Ianus -- Sicherheit, Datenerfassung -- CRSC Central Registry ServCorp, Netwatch, Saburokei

■ Feine Risse. Obgleich von außen nichts auf Schwierigkeiten im neuen IG-Weltsystem hindeutet, gibt es nach wie vor auch Reibungspunkte: Einerseits gibt es weiterhin Firmen, die durchaus nicht bereit sind, ihre Wettbewerbsvorteile „zugunsten des Gesamtwachstums“ aufzugeben. Andererseits ist keine der durch eine IG beherrschte Branche ein in sich geschlossener Marktkosmos: Webdienste brauchen Hardware. Autos brauchen Steuerchips. Banken brauchen Gebäude. Jeder braucht Zulieferer, die er am Liebsten selbst vollständig kontrolliert. Aus diesen komplexen Abhängigkeiten und verborgenen Einflussnahmen entstehen Querverbindungen, die niemand überblickt. Woraus Grauzonen und Krisenherde erwachsen, in denen auch Cyberpunks noch überstehen können.

■ Militech und Arasaka. Diese früheren Giganten des Sicherheitsmarktes demonstrierten wie es deutlicher nicht möglich wäre im Vierten Konzernkrieg, warum moderne Megakonzerne sich einen offenen Konzernkrieg nicht länger leisten können. Unter dem Diktat des wirtschaftlichen Nutzens für alle Beteiligten konnte es zur Bildung größerer Interessenverbände überhaupt keine Alternative geben. Die dummdreiste Art, durch wechselseitige Vernichtung von Firmeneigentum – inklusive Angestellten – letztlich egoistische Ziele der CEOs zu verfolgen, war mit Saburo Arasakas Tod und Lundees Reaktivierung zum General der ISA Streitkräfte ein Relikt der Vergangenheit geworden. Der finanzielle Ruin beider Unternehmensriesen ist ebenso wie die Krater auf den Standorten der Arasaka Türme ein lebendiges Mahnmal geworden. Lediglich Teile der früheren Konzerngiganten leben heute noch fort, wie der Waffenhersteller American Militech, die japanische Arasaka Bank oder der im Bereich Konzernpolizei führende Sicherheitsdienstleister Saburokei.

■ Weltordnung. Trotz Orbitaldominanz: Es gibt weiterhin Nationen, Politiker, staatliche Behörden auf Erden. Und zwar vor allem deshalb, weil die Übernahme der kompletten finanziellen Verantwortung für sämtliche Aspekte einer Nation ein Verlustgeschäft, ein Fass ohne Boden ist. Die IGs bevorzugen es, sich die Rosinen aus dem Kuchen zu picken, beste Lagen für sich und die eigenen Enklaven und KonzernZonen zu reklamieren und die Sorge um jene, die dabei auf der Strecke bleiben, der Politik zu überlassen. Ehe nicht jeder Arbeitslose, Asoziale und Obdachlose einen freien Virtual Vicky oder Nu!Life Zugang hat, bieten Nationalitäten und Nationen auch ein wertvolles Identifizierungsmerkmal. Etwas, was die Massen ruhig und beschäftigt hält. Die Spezies des Politikers ist damit ganz zufrieden. Zwar kann sich keiner jener Staatslenker noch der behaglichen Illusion hingeben, „der mächtigste Mann seiner Nation“ zu sein – aber ein gutes, durch IG-Geld gefülltes Konto und ein späterer Pensionstransfer in ein Orbitalhabitat inklusive Anspruch auf einen Klon als Zweitkörper lassen darüber hinwegsehen.

■ ISA. Als Amerika sich an die Spitze jener Nationen stellte, die sich der Orbitalrevolte entgegenstellten, machte sich der „Weltpolizist“ zum perfekten Ziel für Steinbrocken- und EMP-Beschuss. Trotzdem Nordamerika somit stärker als jede andere Nation vom Steinbrockenkrieg betroffen wurde, haben die Staaten Amerikas insgesamt vom Wandel profitiert. Grund hierfür ist, dass Präsident Windham schon zuvor eine extrem unternehmensfreundliche Verwaltung geschaffen hatte, die nach dem Sieg der IGs flüssig zum Tagesgeschäft übergehen konnte. Europa hatte dem gegenüber in den vergangenen zehn Jahren getragen von der Erstarkung der Europäischen Idee vermehrt auf politische Beschränkung der Megakon-„Heuschrecken“ gesetzt. Und auch heute ist der Unwillen der Bevölkerung, sich dem Diktat des Orbits zu beugen, etwa in Frankreich, Italien und Großbritannien wesentlich stärker als im bereits reichlich „gleichgeschalteten“ Amerika. Auch wenn die ISA de facto Befehlsempfänger der Orbitalen sind wie jede andere Nation auch, hat Präsident Windham somit doch eine positive Entwicklung für Amerika vorführen können. „Wir sind wieder wer!“ ist das beherrschende Gefühl der amerikanischen Patrioten.

■ Zentralregistratur. Eine der ersten Maßnahmen der Himmlischen nach Übernahme der Macht auf Erden war die Schaffung einer zentralen Datei zur Erfassung aller Erdenbürger. Während der offizielle Grund der Einführung jener Zentralregistratur in der effizienteren Bekämpfung moderner Kriminalität und der Zerschlagung des organisierten Verbrechens lag, liegt das Hauptinteresse der Unternehmen allerdings in der Zusammenführung der verschiedensten Datenbanken mit dem Ziel, den „gläsernen Konsumenten“ zu schaffen. Der dahinterstehende Gedanke ist einfach: Ist ein Mensch komplett erfasst hinsichtlich seiner Kapazitäten, Neigungen, seinem finanziellen Hintergrund, seiner Berufsgeschichte, seiner Hobbies, seiner bevorzugten Orte (Online wie Offline) und seiner Routinen, können Unternehmen

1. diesem zielgerichtet jene Werbung zukommen lassen, die ihn auch tatsächlich(!) ansprechen wird

2. gezielt Arbeitnehmer ansprechen, deren Fähigkeiten die Bedürfnisse des Unternehmens abdecken

3. perfekte Verlässlichkeit betreffs Kreditfragen erteilen

4. neue Möglichkeiten zum sozialen Konditionieren schaffen (vergleichbar mit dem Prinzip, Personen positiv, neutral oder negativ zu bewerten und Methoden in Aussicht zu stellen, mehr positive Votes zu generieren und damit Vorteile zu erringen)

5. tatsächlich Verbrecher und Konzernfeindliche (Cyberpunks) schneller identifizieren, sie mit früheren Straftaten in Verbindung zu bringen und effektiver „erledigen“ zu können.

Die Zentralregistratur ist ein gigantischer Datenspeicher, von mehreren AIs gemanaged, der Personendaten (DNA-Samples, Fingerabdrücke, Retina-Prints) und Nutzerprofile (Shopping-Geschichte, Verzeichnis aller je besuchten Webseiten, verwendete Suchbegriffe in Browsern, Kreditgeschichte, abgegebene Stimmen bei Wahlen, ausgefilterte Blog- und Forenbeiträge, private Fotos) poolt und in einzelnen Files (dem sog. „Schatten“ oder „Mirror“) vereint. Das Hauptproblem der ZR ist dabei ihre Offenheit und die für ihre Arbeit notwendige Zugänglichkeit für abertausende Inputquellen weltweit – von denen nicht alle optimal gesichert sind. Aus diesem Grunde werden Veränderungen an Files getagged (ähnlich wie bei wikipedia) und jeder Veränderung ein „Flag“ zugewiesen (sprich: Es wird die Verlässlichkeit der Quelle markiert oder im Idealfall der verändernde Mitarbeiter direkt verlinkt). Außerdem werden Nonstop Backups gezogen (ein kompletter Registry-Durchlauf braucht aktuell etwa 13 Tage) und in einem Orbitalen Datentresor verwahrt. Kommen neue Backups dazu, werden diese von der AI des Tresors abgeglichen und verdächtige Abweichungen den Operatoren gemeldet. Das macht die Arbeit von Schuhmachern nicht gänzlich unmöglich, aber erheblich schwerer (und teurer).

■ Sponsoren. Jeder Mensch hat ein, oft sogar mehrere Files in der Registratur, wobei nicht alle Files bereits miteinander verknüpft sind. Loggt sich jemand etwa unter dem Usernamen „tweety“ ins G3N ein, wird zwar ein File zur ID tweety erstellt und dessen Verhalten als Nutzer-, Konsumenten- und ggf. Täterprofil erfasst, erst aber wenn jemand diesen tweety als „Richard Harris“ identifiziert, werden beide Datensätze zu einem File vereint. Der klassische Cyberpunk versucht, jeder behördlichen Registrierung zu entgehen, hat aber trotzdem in jedem Fall ebenfalls Einträge in der Registratur (und sei es als anhand forensischer Spuren an einem Tatort „gesuchter Täter NC-1544675-F“). Wichtig ist für ihn aber, die Verknüpfung der einzelne Datensätze zum Punk – und hier besonders: seinem Gen-Profil als am Schwersten zu fälschendes Persönlichkeits-Merkmal – zu vermeiden. Zum Leidwesen jedes Punks hat die Nichtexistenz eines geschlossenen und überzeugenden Schattens mit vollständigem Lebenslauf, normalen Gewohnheiten und kreditwürdigem Verhalten einen großen Nachteil: Nämlich, von den Annehmlichkeiten des modernen Lebens ausgeschlossen zu sein. Jedem Schatten wird eine ID-Level zugewiesen, die Auskunft über dessen sozialen Stand und Vertrauenswürdigkeit „auf einen Blick“ gibt. Für präzise diese Glaubwürdigkeit ist die Wahl des Sponsors entscheidend: Eines von Angelion autorisierten Unternehmens oder Verbandes, der sich für die Legitimität des Bürgers quasi „verbürgt“. Ein klassischer Arbeitnehmer muss sich keine Sorgen machen, einen Sponsor aufzutreiben: Das Unternehmen, für das er tätig ist, ist meist automatisch auch sein Sponsor. Von der Größe des Sponsors und dessen Bewertung seines Mitarbeiters hängt dann meist ab, welche Rechte und welcher Kreditrahmen mit der IdentiCard (und der ID selbst) verknüpft sind. Hat jemand das Unglück, keinen Sponsor zu haben – was nicht nur auf Illegale, sondern auch etwa auf Künstler und kleinere Selbständige zutrifft – hat derjenige die Wahl, ein großes, angesehenes Unternehmen dafür zu bezahlen, dass es sich als Sponsor zur Verfügung stellt. Der Sponsor bürgt somit für die Verlässlichkeit des Users und bekommt dafür Geld, durch das er auch etwaige Regressforderungen Dritter bestreitet (eine Art Versicherungssystem). Der Gesponsorte umgekehrt dokumentiert über die regelmäßige Zahlung seines Sponsoring-Beitrages und natürlich dadurch, die Anforderungen des Sponsors erfüllt zu haben, dass er kreditwürdig und verlässlich ist. Eine Win-Win-Situation für Sponsor und Gesponsorten.

■ Konzernzonen. Der hauptsächliche Vorteil einer soliden ID besteht im Zugang zur Konzernzone. Hier stehen die gepflegten, neuen Malls, locken V-Plexe und WellOasen, spenden restaurierte Statuen unter dem Schutz lichter Glasdächer Schatten, laden Straßencafés zum Verweilen ein. Die Konzernzone ist das neue Herz des ganz normalen Lebens. Von ihr ausgeschlossen zu sein, ist mehr als nur eine Einschränkung von Beweglichkeit, die mit langen Umfahrungswegen einhergeht: Es ist ein öffentliches Stigma und der Ausschluss von Kultur, Bildung, Entertainment, Entwicklung. Es gibt öffentliche und geschlossene Konzernzonen: Einige Zonen sind für alle „anständigen“ Bürger, andere für Träger hochwertiger ID-Karten, viele nur für Mieter oder Angestellte mit passender ID zugänglich. Allen Konzernzonen ist gemein, dass diese der Jurisdiktion der Konzernpolizei unterstehen. Und deren Freiheiten gehen zum Teil erheblich über die jeweiligen nationalen Rechtsmöglichkeiten hinaus. Zum Wohle aller, natürlich.

■ Draußen. Die Outside oder Außenzonen beinhalten alles, was nicht Konzernzone ist. Und somit entweder staatlicher oder auch gar keiner Kontrolle untersteht. Anständige Bürger versuchen ihr Möglichstes, den Besuch von Außenzonen zu vermeiden, und suchen diese bestenfalls zum Transfer von A nach B auf. Andere Bürger hingegen schätzen die Außenzonen als Raum für Tätigkeiten, die besser „privat“ bleiben sollen oder sogar den Interessen des eigenen Arbeitgebers entgegen laufen. Außenzonen treten in verschiedenen Formen auf von urbanen Nachbarschaften unter solider Polizeibewachung bis zu gangbeherrschten Höllenlöchern und öden Straßenstrips im Niemandsland zwischen verwaisten Arkologien und geheimen Forschungslaboren tief in der Ödnis des Hinterlandes.

■ Schwarze Zonen. Der Begriff der Schwarzen Zone ist eigentlich ein Relikt der Cyber20ies. Er umfasst jene Gebiete des Draußen, das von der unterfinanzierten Staatspolizei aufgegeben wurde. Und oft schon einen über Jahrzehnte voranschreitenden Verfall in totale Anarchie hinter sich gebracht hat. Ein Prozess, der sich mit Schaffung der Konzernzone weiter beschleunigt hat: Da die Polizei der überwiegend bankrotten Staaten unmöglich das gesamte Außengebiet patroullieren und kontrollieren kann, zieht man die verfügbaren Kräfte in den besser beherrschbaren Distrikten zusammen. Und überlässt jene Gebiete, die ohnehin unrettbar verloren sind, sich selbst.

■ Konzernpolizei (Corpsec). Die Konzernpolizei besteht aus Sicherheitskräften einzelner oder vereint in einer Konzernzone operierender Unternehmen. Oft sind Konzernpolizisten auch Angestellte einer externen Sicherheitsfirma, die von dem oder den Betreiber(n) der Konzernzone für Aufgaben der Sicherheit, Zugangskontrolle und alle möglichen Teilaufgaben der Überwachung angeworben wurde. Aufbau, Vorgehen, Uniformierung und Ausstattung der Konzernpolizei weichen damit natürlich von Zone zu Zone erheblich voneinander ab. Es gibt ebenso Konzernpolizisten in grauen Anzügen und höflichen Umgangsformen wie gedrillte Spezialeinheiten mit vollvercyberten Körpern und ACPA-Backup.

■ Staatspolizei (Cops). Die klassischen Cops der ISA kämpfen seit vielen Jahren einen verlorenen Kampf. Und das wissen sie auch. Die geringe Aussicht auf Besserung hat in der Vergangenheit oft dazu geführt, dass Cops hochgradig bestechlich oder bessere Schläger für Gangster und Konzerne waren. Diese Tendenz hat sich in jüngerer Zeit umgekehrt, indem zahlreiche „Bad Cops“ in den Dienst der stark expansiv ausgelegten, prestigeträchtigeren und besser bezahlten Konzernpolizei abgewandert sind. Viele Cops, die heute mit neuem Stolz ihre Marke tragen, tun dies aus einem Gefühl von grimmen Trotz heraus. Und im blinden Idealismus, dass auch jene, die durch die Maschen des Systems rutschen, ein Anrecht auf Sicherheit und Glück besitzen.

■ Law Enforcment Division (LEDiv). Die Agenten des LEDiv sind eine ausgesprochen unangenehme Mischung der übelsten Facetten früherer amerikanischer Geheim- und Polizeidienste. Die LEDiv ist FBI, CIA und NSA in einem. Sie ist Home Defense, Patriotic Act, Schocktruppe des Präsidenten. Ist Stasi und Gestapo. Ausgestattet mit umfassenden Vollmachten der IG-treuen Regierung der ISA ist die LEDiv gemeinsam mit dem COC die einzige Abteilung reststaatlicher Kontrolle, die gegenüber der Konzernpolizei weisungsbefugt ist und ihre Ermittlungen Draußen wie Drinnen durchführen kann. In der öffentlichen Wahrnehmung und beeinflusst durch entsprechende TV-Shows werden LEDiv Agenten als „Men in Black“ mit schwarzen Anzügen und Science-Fiction-Waffen der neuesten Generation betrachtet. Tatsächlich arbeiten die meisten LEDiv Agenten undercover. Ihre Bewaffnung und Ausstattung ist aber in der Tat exzellent, da umfassende Resourcen vom (nicht länger im vollen Umfang benötigten und vom Orbit erwünschten) US-Militär in LEDiv, COC und BuReLoc umgeleitet wurden.

■ Center of Disease Control (CDC). Die Carbonseuche hat eine zuvor nie da gewesene Summe finanzieller Mittel in Gesundheitsbehörden und Seuchenschutzprogramme geschwemmt, die binnen weniger Jahre in das Zentrum zur Krankheitskontrolle vereint wurden. Heute, da die Carbonseuche weitestgehend beherrscht ist, kommt auf das COC die Frage nach der weiteren Daseinsberechtigung zu. Eine Problemstellung, die für das COC nur durch fortwährende öffentliche Panikmache und – natürlich – fortwährende Identifizierung und Internierung „neu entdeckter Erkrankter“ zu beherrschen ist. Und somit ein Unterfangen, welches enge Bande zum BuReLoc hat entstehen lassen.

■ Bureau of Relocation (BuReLoc). Die dritte überfinanzierte Behörde der ISA beschäftigt sich offiziell und äußerst medienwirksam mit der Bekämpfung von Armut, Obdachlosigkeit, Hunger und Verwahrlosung. Und seit mehreren Jahren zunehmend auch der Bekämpfung armutstypischer Seuchen und Krankheiten in enger Kooperation mit dem COC. Dem Wissen der Normalbevölkerung nach bietet das BuReLoc den verarmten, drogen- und alkoholabhängigen und meist kriminalisierten Elementen der Gesellschaft eine neue Chance und Heimat. Wo auch immer. Tatsächlich wird das BuReLoc von ISA-Instanzen ebenso wie Konzernen als Behörde zur Beseitigung Unerwünschter verwendet. Eine Aufgabe, die das BuReLoc zur vollsten Zufriedenheit aller erfüllt. Böswillig von Terroristen verbreitete Gerüchte von Konzentrationslagern und Massengräbern sind längst als Feindpropaganda enthüllt: Gewiss gibt es Sammel- und Notlager, bei denen die erfassten „Zeros“ erst einmal identifiziert und neuen Plätzen zugewiesen werden. Selbst dort aber haben sie es besser als in der Hölle, aus der man sie gerettet hat – und auf sie wartet nach kurzer Säuberung, Impfung und einer eventuellen Braindance Therapie mit Kriminalitäts- und Suchtblockern ein glücklicheres Leben als nützlicher Teil der menschlichen Gesellschaft. Vielleicht auch bald an ihrem Drive-In Schalter oder als Servicekraft in ihrer Firmen-Arkologie.

■ Gun Act von 2033. Die einstmals mächtige Waffenlobby Amerikas hat ihren Einfluss verloren. Waffen gehören in die Hände von Polizei und Sicherheitskräften. Mit dem Gun Act von 2033 sind lediglich Schrotflinten und Jagdgewehre sowie – ab einer Identität der Stufe 2 – eine mit 911-Chip und Guncam ausgestattete Pistole zur Selbstverteidigung statthaft (die Guncam macht bei Auslösen der Waffe ein Bild des Zielgebietes, und der 911-Chip ruft automatisch die zuständige Polizei). Hocheffiziente (95% erfolgreiche) Waffensensoren an vielen neuralgischen Punkten der Konzernzone, Schuss-Detektoren im näheren Umfeld und vor allem ein verschärftes Vorgehen gegen Bewaffnete und – seit 2035 – auch „überpanzerte“ Personen (SP8+) haben die Entmilitarisierung der Bevölkerung innerhalb kurzer Zeit bereits sehr weit vorangebracht. Anders sieht zuweilen innerhalb von Häusern und Wohnungen aus, wo sich häufig noch „Erinnerungsstücke“ oder „letzte Mittel zur Verteidigung der Familie“ verbergen. Für Cyberpunks bedeutet das verschärfte Waffengesetz eine erhebliche Preissteigerung bei allen Waffen und nicht-leichten (SP8+) Rüstungen (Pistolen ohne Registrierung und 911 z.B. x3, Sturmgewehre bis x6, Rüstungen meist x2, Skinweave als durch die Konzernmedien „dämonisiertes“ Implantat x10!) sowie das höhere Risiko, durch stärkere Bewaffnung auch sofort „passend ausgestattete“ Sicherheitskräfte auf den Plan zu rufen. Und bei diesen geht Eigensicherung grundsätzlich vor.

■ G3N. Die erste Inkarnation des weltweiten Netzes war unser heutiges World Wide Web. Als Ihara und Grubb mit dem nach ihnen benannten Algorithmus einen einheitlichen Grafikexchange für die virtuellen Communities von Second Life über WOW bis EVE und HOME schufen, war die zweite Inkarnation des Netzes geschaffen. Als diese durch weltweite Viren zum Ende des Vierten Konzernkrieges unterging, hoben die IGs mit dem neuen Netz- und Interfacestandard G3N die dritte Inkarnation des Netzes aus der Traufe. Eines Netzes, das nicht länger die Freiheit der Informationen und Nutzer, sondern der Bereitsteller und ihrer Lizenzen im Fokus hatte. Die vollständige Umstellung auf Lizenzprogramme der G3N-Anbieter schuf dabei völlig neue, noch berauschendere Erlebnisse durch immer bessere Anpassung und Ausnutzung der Hard- und Software der OTAKU IG Mitgliedsunternehmen. Das gesamte G3N fundiert noch wesentlich enger als die reale Welt auf zentral organisierten Vorratsdaten, Logs und Serverpools. Keine Bewegung im Netz bleibt unerfasst, kein virtueller Raum unbeobachtet. Netrunner der neuen Generation sind darum bemüht, so selten wie möglich das Netz zu verwenden. Sie sind zu Meistern des Remote-Zugriffs und der Programmierung geworden, die ihre Spur im zunehmenden Rauschen unzähliger Operationen zu maskieren versuchen. Und die gezwungen sind, zum Zugriff auf geheime Daten so wenig Transferpunkte zum Zieldatenspeicher wie möglich zu benutzen, um möglichst wenig aufzufallen.

■ Cyberguerilla. Die neue Weltordnung hat eine Gleichschaltung der Medienlandschaft beispiellosen Ausmaßes mit sich gebracht. Was es den Konzernen und den mit ihnen kooperierenden Regierungen natürlich umso leichter macht, kulturelle Ideen zu promoten – oder davon abweichende Vertreter zu kriminalisieren. Innerhalb der kulturellen Medienprägung nimmt die ohnedies seit Jahren boomende „Chinesische Leitkultur“ einen besonderen Rang ein. Deren Grundüberzeugung des höheren Ranges von Gemeinschaft und geringeren Ranges von Individualität ist das kulturelle Rückgrat der Unterwerfung unter „höhere“ Instanzen, die als größte Leistung menschlichen Kulturschaffens im 21. Jahrhundert und „Sieg des Miteinanders“ gefeiert wird. Die Cyberpunk-Bewegung und andere Randgruppen werden hingegen als zum Untergang verurteilte Relikte „antiquierter Selbstsucht“ und „als Freiheit maskierte Zerstörungslust“ deklassiert. Gewaltakte, die auch nur entfernte Bezüge zur Cyberpunk-Szene aufweisen – wie der Cyberarm eines Straftäters oder die Silverhand-Dateisammlung auf dem Rechner eines jugendlichen Amokläufers – werden als „Beweise“ für die Existenz einer hochaggressiven und mit allen Mitteln zu bekämpfenden „Cyberguerilla“ als moderne Terrorbedrohung inszeniert. Und das Volk ruft mit Nachdruck dazu auf, strengere Überwachungsmittel zu schaffen, um dieser Gefahr endlich Herr zu werden.

■ Gang Nations, Altcults und Yogangs. Nicht jedem steht der Weg offen, sich dem übermächtigen System zu beugen. Der Weg in die Konzernzone führt für Leute im Draußen nur über Lager, Umerziehung, Verhaltenskorrektur („Deprogrammierung“ früherer Fehlleitung durch Cybergurus (Rocker) und „Befreiung“ von antiquierten Gedanken (Selbstbestimmung, Auflehnung, Zweifel, Ängste)). Und über totalen Verkauf an einen gesichtslosen Markt, in dem sich jeder in der Opferrolle des Ohnmächtigen sieht. „Was soll ich schon tun?“ ist das Mantra der Systemhörigen. Da die Cyberguerilla als Terroristische Vereinigung identifiziert und mit absurd überzogenen Mitteln bekämpft wird, haben sich in jüngeren Jahren neue Leitbilder und Ersatzkulturen herausgebildet. Während Gang Nations letztlich „IGs der Straße“ sind, Zusammenschlüsse oft Dutzender Einzelgangs zu Selbstschutz und effizientere Kontrolle der Gang-Gebietes, sind Altcults und Yogangs Fortentwicklungen früherer „Jugendszenen“, die jeden Aspekt „ihrer“ Bewegung als Erweiterung ihrer Individualität zelebrieren. Und oft mit fast religiöser Hingabe verehren. Ideen für Yogangs finden sich in CyberGeneration. Anregungen für Altcults finden sich in Cyberpunk v3. Wer im Draußen lebt, gehört üblicher Weise zu einer Gang, einer YoGang oder einem Altcult. Die Zuordnung zu einer solchen Gruppe ruft zwar die Ablehnung aller mit ihr verfeindeten Gruppen hervor, bietet aber dafür den Schutz der Gemeinschaft – und Zugang zu den Resourcen der oft ihre Nachbarschaft beherrschenden „Ersatzregierungen“.
Link (0 Kommentare)   Kommentieren
fast forward 2020>2035
Topic: 'CP-article'
Das also ist 2035. Fünfzehn Jahre nach 2020, dem Punkt in der Geschichte, den man als Höhepunkt – und Wendepunkt – der Cyberpunk Bewegung betrachten kann. Der Punkt, an dem es abwärts ging. Abwärts mit der Welt. Abwärts mit den Punks. Abwärts mit der alten Edge.

Nicht, dass wir uns missverstehen: Die Welt war auch schon 2020 am Arsch. Und trotz allem damaligen Gejammere hätte trotzdem niemand bestritten, dass es der Welt insgesamt weit besser ging als, sagen wir mal, zu Zeiten des Großen Zusammenbruchs, der Atomschmelze im Nahen Osten oder den Jahren, als sich eine Welt, die dachte, vereinzelte Terroranschlägchen vereinzelter Terroristchen und ein paar Wirbelstürme mehr im Jahr seien ihre größten Probleme der bitteren Wahrheit stellen musste, die man am besten mit dem unsterblichen Songtitel „You ain’t seen nothing yet“ beschreiben könnte.

Von der Mitte der 2010er bis zu den wilden 20ern des 21. Jahrhunderts fand eine Kulturrevolution nie gekannten Ausmaßes statt. Getrieben von einer unbeschreiblichen Innovationsflut im technischen, kybernetischen und kommunikativen Sektor veränderte sich das Leben der Menschen, die Art zu denken, zu wirtschaften und zu empfinden weit schneller als der Mensch selbst. Der Technoshock brach aus. Trotz globalisierter Vorgabe einer gewissen Einheitskultur zerbrach die Menschheit in verschiedene Lager. Reich und arm entkoppelten sich endgültig. Der Mittelstand verschwand oder wurde durch rasch wachsende Konglomerate, riesige Firmennetze, Megakons, assimiliert. Der Generationenvertrag wurde aufgekündigt. Und die Einführung neuester Technologien schneller, als die Hits von letztem Jahr sich durchsetzen konnten, zerspaltete die Menschheit in Technofetischisten, Stino-User und mehr oder weniger extrem ausgeprägte NeoLudditen, die sich aus Romantik oder Geldknappheit bewusst gegen die neuesten Implantate, Tools und Toys wehrten.

Diese gewiss nicht goldene, sondern Blut-, Öl- und CHOOH2-verkrustete Ära war die Geburts- und Glanzzeit der Cyberpunk-Bewegung. Eine Zeit, in der Attitude alles war. Und zwar eine EIGENE Attitude, die sich durch Taten, nicht Labels unterschied. In der die Punks an der vordersten Edge neuester Technologien surften. Die sie gegen die Multis und Megas einsetzten, um gegen alle kongesteuerte Propaganda die Wahrheit über die „schöne neue Welt v2020“ herauszufinden. Und sie zu Ca$h oder Rep zu machen.

Um den Beginn des Vierten Konzernkriegs herum, so könnte man heute ohne Berufung auf irgendeine Art verlässlicher Quellen sagen, hatte sich die Kulturrevolution so weit gebremst, das wieder so etwas Ähnliches wie Normalität entstand. Nicht aus dem Blickwinkel der Anfang-2000er, natürlich, aber eben aus dem Blickwinkel von 2020: Man wusste, wer die Movers und Shakers waren, wer im Spiel der immer moralloser werdenden Weltwirtschaft die Hosen anhatten, wer die Guten und wer die Bösen – das heißt: wer die nur Raffgierigen und wer die absolut Verabscheuungswürdigen waren.

Einige sagen, dass es dort war, da die Cyberpunk Bewegung ihr Herz verlor. Indem sie corporate ging.

All die technischen Gimmicks und Gizmos kosteten ein irres Geld. Die alternden Körper der Punks, die besser werdenden Abwehrstrategien der Cons, die zunehmende Militarisierung der Sicherheitskräfte und Cops, all dies erhöhte den Geldbedarf der Cyberpunk Szene gewaltig – ein Millionenbiz, an dem vor allem eine neue Klasse von Elite-Fixern absolut nicht schlecht verdiente. Kartelle entstanden, die den Schwarzmarkt dominierten. Preise diktierten. Und bald dafür sorgten, dass die Punks sich nach neuen Geldgebern umsahen. Oder direkt gegen Warez und Implants arbeiteten.

Klar war es noch die Edge. Aber nicht mehr die Street. Aus dem Kampf um die Wahrheit war „James Bond trifft den Millionen-Dollar-Mann“ geworden. Von der Szene weitgehend unbemerkt, fand der große Buy-Out statt. Rocker gingen gegen ihre Überzeugung doch bei großen Labels unter Vertrag. Solos wurden „feste Freelancer“ bestimmter Kons. Netrunner gaben Kurse für Sicherheitsprofile – oder wurden gleich Corporate SysOp. Ganze Nomadenkonvois gründeten sich als Baufirma. Und wer keinen festen Sponsor hatte, sprang von miesem Black Op zu Black Op, wurde verheizt oder musste gegen gute Bezahlung seine inneren Überzeugungen ablegen.

Der Vierte Konzernkrieg beschleunigte das. Jeder Krieg ist eine Art Fast-Forward-Taste der Geschichte. Ganze Heerscharen von Punks – viele von diesen inzwischen jenseits der 30 (manche nah der 40) und darum an Sicherung ihrer Zukunft und Bling-Bling mehr interessiert als daran, gegen Windmühlen zu kämpfen – heuerten bei OTEC, CINO, später (vor allem) bei Militech und (einige wenige) bei Arasaka an und kämpften den härtesten und mit Sicherheit unmoralischsten Krieg, der je auf Erden getobt hat.

Vielleicht ist dies das Verstörendste daran: Ausgerechnet diejenigen, die sich die Bewahrung der menschlichen Werte einst voller Idealismus auf die speckigen Fahnen geschrieben hatten, waren es nun – viele Cyberimplantate, viele böse Erinnerungen, viel Abstumpfung gegen das Elend und mehrere Terabyte Konzernpropaganda später – die eines schönen Sommertags inmitten einer Mall für Angestelte aus dem Heck eines Vans kletterten und reihenweise Frauen und Kinder niedermähten. Zur Demoralisierung des Gegners. Dessen Angestellte nun mal sein wichtigste „Asset“ sind.

Mit Sicherheit ist es zu einfach, den Niedergang der Cyberpunk-Bewegung am Konzernkrieg und den Greueltaten einiger alleine festzumachen. Jeder hat da seine Lieblingstheorie. Die Abstumpfung durch Millionen Carbon-Tote weltweit. Die Entfremdung durch nie auf ihre Langzeitwirkung getestete Implantate. Die Erkenntnis, dass am Ende immer die Konzerne gewinnen. Die Schuldgefühle, weil man missbraucht wurde. Die subtile Erosion der Persönlichkeit durch verstecke psychotropische Programme, emotionsverändernde Musik, geheime Nahrungsmittelzusätze. Auch die Frage „was ist der Mensch?“ im Angesicht von AIs, beginnender Klon-Tech, Cyborgs, Ghosthacking und genetisch optimiertem Nachwuchs. Die Auswahl an Möglichkeiten scheint grenzlos. Vielleicht war es eine Verbindung aus allem.

Einigkeit herrscht in dem, was von der Szene übrig blieb, dass der Niedergang der Cyberpunk Kultur ebenso sehr hausgemacht wie von außen verursacht wurde. Zum Korrumpieren gehören immer noch zwei: Der Kon, der das verlockende Angebot macht – möglicherweise mit dem direkten Ziel, die Bewegung zu entzweien – und der Punk, der einschlägt und gegen mieses Kon-Geld einen miesen Kon-Job macht. Und sich selbst zur Arschfickhure der Bonzen. Was hat das mit Revolution zu tun?

Eben. Nichts. It’s just biz.

Betrachtet man sich die heutige Medienlandschaft, so beherrscht der Steinbrockenkrieg von 2033 die Berichte als das zentrale Ereignis, welches das Leben der Menschheit fundamental änderte. Dabei ist auch dieser nur ein Fast Forward für strukturelle und kulturelle Veränderungen gewesen, die längst im vollen Gange waren – wie JEDE welterschütternde Veränderung zumindest im Rückblick schon Jahre zuvor abzusehen war. Sei es 9-11, sei es der Nuklearkrieg in Nahost, sei es jeder der Konzernkriege, oder sei es eben die Ausrufung der Autonomie der Orbit-, Mond- und Marskolonien durch die Highrider, die im Weltall Geborenen, und deren kurzer, aber heftiger Krieg gegen die Erdstaaten, die diese Unabhängigkeit anzuerkennen nicht bereit waren.

Zeit vergeht. Cyberpunks werden alt. Im All Geborene werden erwachsen und haben selbst Kinder, die nie einen Fuß auf die Erde gesetzt haben (und es aufgrund der Schwerkraft auch nicht überleben würden), Helden sterben an ihren Prinzipien oder geben diese auf und leben. Irgendwie. Aus Firmen wurden Netzwerke. Aus Netzwerken wurden Keiretsus bzw. Multinationals. Aus Multis wurden Megakons. Und aktuell werden aus Megakons IGs, Interessengemeinschaften. Die Konzernkriege, vor allem aber die beiderseitige de-facto-Auslöschung von Militech und Arasaka, hat prägenden Einfluss auch auf die anderen großen Unternehmen gehabt. Vor der Erkenntnis, welche Unsummen auf Spionage und Spionageabehr, auf Sicherheits-Wettrüsten und Bezahlung einer Heerschar in höchstem Maße unzuverlässiger Freelancer (Cyberpunks) aufgewendet und völlig unproduktiv vernichtet werden, nutzten die Megakons die historische Chance der Highrider-Revolution, die Erdstaaten zu entmachten (bzw. diese wie im Fall der Incorporated States of America vollständig zu übernehmen), die letzten Kartellgrenzen niederzureißen und sich innerhalb ihres jeweiligen Marktes mit den jeweiligen Hauptwettbewerbern zu Interessengemeinschaften (Interest Groups, IGs) zusammenzuschließen.

Firmenübergreifende Absprache von Preisen, Lieferbedingungen und technischen Formaten und Standards hat es zu allen Zeiten gegeben. Im Orbit, außerhalb des Blicks, der Kontrolle und des Zugriffs durch irgend eine Art gewählter Instanz, haben die Megas diese Methodik professionalisiert und institutionalisiert. Und die Cyberpunk Szene über Nacht trocken gelegt.

Nicht nur sind die Jobs des einen gegen das andere Unternehmen sehr viel seltener geworden (obgleich es diese natürlich weiterhin gibt), die Unternehmen sehen – in diesem Anbietermarkt – auch weniger Grund, überhaupt Externe zu beauftragen. Oder diese ordentlich zu bezahlen. Oder überhaupt. Dies tun sie nur dann, wenn sie sich deren Loyalität absolut sicher sind (in den 20ern haben einfach zu viele Punks die während eines Jobs gewonnenen Infos auch an Dritte weiterverkauft. Dies rächt sich jetzt bitter). Vor die Wahl gestellt, weiterhin als Freelancer unter hohem Risiko (inkl. Verrat durch den Auftraggeber) und unter der Prämisse von injizierten Giftkapseln, Nanosprengstoffampullen oder kodierten LoyalitätsChips bei eher sinkenden Gewinnspannen und ohne Garantie des nächsten Jobs zu arbeiten oder aber die Attitude an den Nagel zu hängen und „den Morgan zu machen“ – also sich fest anheuern zu lassen – entscheiden sich die meisten für Letzteres. Einige wenige versuchen, sich als Firma für Konzernsicherheit zu etablieren. Und teilen das Schicksal von „Edgerunner Inc.“, die wenige Jahre nach ihrem Start von einem größeren Unternehmen der Branche geschluckt und „restrukturiert“ wurden.

Es gibt natürlich keinerlei verlässliche Daten dazu, wie sich die Edge Scene seit 2020 entwickelt hat. Aus dem Bauch gesprochen sind wohl rund drei Viertel corporate gegangen, vom verbliebenden Viertel sind etwa drei Viertel durch Alter und fehlende Updates ihrer Warez „ausgemustert worden“ (also verarmt oder im Ruhestand) und das verbleibende „Viertel eines Viertels“ teilt sich erneut auf in jene, die weitermachen wie bisher und sich irgendwie durchschummeln, und jene, die ihre Attitude zum Terrorismus weiterentwickelt haben und einer bedauernswerten Schicht weltfremder Spinner und Nihilisten zuzurechnen sind, die sich zuweilen reichlich übertrieben als „CyberGuerilla“ bezeichnet.

Was diese Terroristen, Guerilleros und Revoluzzer dabei übersehen: 2035 ist keine Zeit des Umbruchs. Es ist im Gegenteil eine Zeit der zunehmenden Stasis. Der wachsenden Gewöhnung. Auch: der Hoffnungslosigkeit. Eine Zeit, in der die technische Edge nur noch den Konzernen und deren Dienern zur Verfügung steht. In der auf Seiten der Konzernpolizei Vollcyborg-Spezialeinheiten und Agenten mit zielsuchenden Kugeln stehen gegen Punks, die so outlawed und outgunned sind, dass ein Hochrüsten in Waffen und Cyberware angesichts des damit einhergehenden, rasant steigenden Risikos der Aufmerksamkeit (und in Anbetracht der seit 2020 explodierten Kosten für Black Warez) einfach keinen Sinn mehr macht. Die Normalos, Wage Slaves und anderen Dressierten feiern die neue Zeit als eine Zeit des Friedens, der Entkriminalisierung, der Sicherheit. Diejenigen, die es besser wissen (und es trotzdem nicht verdrängen) beweinen, den Kampf um die Zukunft verloren zu haben.

2035 haben die Kons gewonnen. Auf voller Breite.
Link (0 Kommentare)   Kommentieren
downtown nc blues 2035
Topic: 'CP-article'
„Ground Zero“ heißt das Bauloch, wo die Arasaka-Zwillingstürme von Night City einst standen. Nicht sehr kreativ, aber auch nicht unzutreffend. Die Bilder des Einsturzes waren sich mit Ausnahme von deren Ursache – 2001 waren es noch von islamistischen Terroristen gesteuerte Flugzeuge, heute haben wir uns zu einem (angeblich) in der Tiefgarage gezündeten Nuklear-Sprengsatz von Cyberterroristen weiterentwickelt – wirklich sehr ähnlich. Staubwolke. Geschrei. Tote. Medienrummel. Ein Millionen-Song. Merchandise. Drei erfolgreiche Movies. Oscarverleihung. TV-Dramen. Das ganze Programm.

Im Allgemeinen stehe ich dem Loch zwiespältig gegenüber. Heute schräg. Ich hocke in meinem Americar Scooter, blicke kurz ins rote Licht des silbernen, zylinderförmigen EBB Credscanners, bezahle per Retina meine Nachos und schicke den Straßenverkäufer seines Weges. Irgendwo hinter mir hupt es. Davon geht der Stau auch nicht schneller weg. Kostet den Hupenden aber 5 eb, wenn er es noch mal macht. Automatisch. Die Warnung dürfte ihm grade eingeblendet werden. Als Scrolltext unter dem TV-Fenster, das bei ihm – wie bei mir, wie bei allen, die kein Preboot-Car fahren – den größten Teil der Windschutzscheibe füllt. Während der Autopilot immer mal wieder schrittchenweise weiterfährt. Mein Scrollbalken warnt mich, dass Nachos nicht gut für mich sind. Aber da ich ja wenig Zeit habe, könne schon ein BioLife PowerBar™ mit Stoffwechselbooster helfen, überflüssige Pfunde erst gar nicht entstehen zu lassen. Eine Nachricht der Temple IG für BioTechnica. Macht das Leben lebenswert.

Ich lese die Werbung schon gar nicht mehr. Im ersten Jahr seit dem Reboot, dem großen Neustart der Wirtschaft und des Lebens nach der EMP Blockade der Orbitalen und dem Ende es Steinbrocken-Krieges, machte es mir noch ziemlich zu schaffen. All die personalisierte, direkt an mich gerichtete Werbung auf den Straßen von Downtown. All die Cams, Scanner und Sniffer, die man bisher nur aus den vornehmen CorpZones der Suburbs kannte. Und die jetzt, wo Night City Central selbst zur CorpZone geworden ist, auch mich erfassen, analysieren und den umliegenden Werbetafeln und Mobiles die für mich passende Botschaft zufiltern.

Ja, durch Downtown zu fahren hat sich definitiv geändert. Ich meine, hey, DT war nie ne schlechte Gegend, aber spätestens Nachts wurde nur zu offenbar, dass die Kontrolle durch die NCPD definitiv ihre Grenzen hatte. Jetzt schmeißt die CorpSec den Laden hier – eine zusammengelegte Truppe früher nach Firmen getrennter Konzernsicherheitskräfte, die häufiger gegeneinander als gegen Outsider und Punks kämpften. Well, nicht mehr. Die Quasi-Befriedung des Wettbewerbs untereinander hat auf Seiten der Corps ungeheure Manpower und Equipment freigestellt, das nun gepoolt und zum Schutz der Kon-Interessen eingesetzt werden kann. Pech, wenn man da den falschen Sponsor hat.

Mein Sponsor ist MallMart Platinum. Nichts Besonderes. Nichts, womit man in bevorzugte Corp Bereiche vorgelassen würde, gewiss nichts, was einem eine gute Stellung, die richtigen Freunde, die wichtigen Connections beschafft. Aber die Platinkarte dieses offenen, das heißt: für jeden gegen einfache Bezahlung zugänglichen Sponsors zeigt zumindest, dass ich regelmäßig mein Abo zahle und somit „geschäftswürdig“ bin. Und das ist das Zauberwort der Nach-2030er.
Surrend setzt sich mein Scooter in Bewegung, verlässt den Stau Richtung Windham Arkologie, beschleunigt auf sagenhafte 25 mph, um sich ebenso surrend in den nächsten Stau einzufädeln. Manche Dinge ändern sich im Center eben nie.
Die Straße, in der ich jetzt voran schleiche, sieht pfuschneu aus. Ist sie auch. In den letzten zwei Jahren wurde in Hochgeschwindigkeit das fortgesetzt, was MegaCon (eigentlich MCG, die Mega Construction Group) – der zentrale Baumulti der Megakons (man beachte das Wortspiel, ha, ha) – schon seit seiner Gründerzeit vorantrieb: Den Totalabriss des alten Night City und die Schaffung der revampten „Metropole der Zukunft“ – alles up to date.

Früher kannte ich hier mal ne nette, kleine Kneipe. Heute kenne ich hier gar nichts mehr, und wüsste auch nicht, was ich zwischen Modeboutiquen, MallMarts und antiseptisch designten Corporate Housing Blöcken zu suchen hätte. Scheiße, selbst die DataTerms kannst du vergessen. Früher, das weiß ich noch, bin ich und die Jungs alle paar Tage mal aus der Zone ins Center gefahren, weil hier die DataTerms funktionierten und diese mit ihrem offenen Netzzugang eine super Infoquelle waren (von der Möglichkeit, über das PrivateNote™ System versteckte Nachrichten an Kontaktpersonen zu hinterlassen, mal ganz zu schweigen).

Heute gehört DataTerm zum Multi Stations Network (msn), und das wiederum gehört zu 100% dem Gobal News Service GNS. Also gibt es nur noch GNS Ware. Auch wenn man es ihr nicht ansieht (und Menüs mit Auswahl von über 300 News- und Unterhaltungs-Channels alleine für Amerika geben einem verdammt noch mal nicht das Gefühl, dass man gerade mit massiver Corp-Gehirnwäsche zugeballert wird. Aber erzählt das mal den Fans von verdeckten pseudo-lieberalen Net54 (=GNS) Stationen wie Pyrate1, Smash!, L33t, FreeVoice oder RebelYell-66). PrivateNote™ gibt es weiterhin. Zur Freude der Schnüffler der Law Enforcement Division (LEDiv), der Domestic Security Agency (DSA) und dem weiterhin gerade im Knotenpunkt NC extrem einflussreichen Center for Disease Control (CDC). NetWatch is everywhere. Die Company scannt, filtert, vergleicht, erstellt NutzerTäterProfile (NTPs bzw. USPs (UserSuspectProfiles)) – und schiebt verdächtige Daten an den jeweiligen ISA-Client oder den interessierten Orbital weiter.

Eben passiere ich einen Truck des Bureau of Relocation (BuReLoc). Auf dem weißen Lack glänzt der Claim im Sonnenlicht: „Building a place for America’s Homeless”. Dass die meisten jener Obdachlosen es gar nicht wären, wenn sie nicht von MegaCon aus ihren nun abgerissenen Wohnungen geworfen worden wären, erwähnt der Claim natürlich nicht. Überhaupt ist das BuReLoc der magische Zauberstab der Ordnungskräfte: Ob es um reale, eingebildete oder offiziell gemeldete (= durch das CDC oder eine andere ISA-Behörde behauptete) Risikoherde der Carbonseuche geht, um Grundstücksspekulation, Urbane Erneuerung oder Abschiebung von Unerwünschten – immer steht das BuReLoc mit Truck (und Gewehr) bei Fuß, das Problem – oft unter Polizeischutz – zu lösen. Was dann mit den Obdachlosen, Illegalen Einwanderern, Unerwünschten, Ausgebrannten, Asozialen und angeblich Carbonkranken passiert? Das will keiner wissen. Ich auch nicht.

Ein Konzerncop blickt zu mir rüber. Ich grüße ihn. Nur keinen Stress in Central NC. Ich knabbere meine Nachos und flippe weiter durch die Kanäle. Checke ab und an die sich selbsttätig öffnenden und schließenden Pop-Ups neben dem TV Window, die mich auf für mich interessante Angebote und Infos der Gebäude, Shops und Malls hinweisen, an denen ich vorbei rolle. Ich entdecke einen Reisebag, der mir gefällt. Schiebe meine MallMart Platinum Karte in den Chipslot des Armaturenbretts, bezahle und geschlichene 15 Meter später legt ihn ein Shop Courier in meinen Kofferraum. Wieder Geld ausgegeben für was, das ich nicht wirklich brauche. Aber die Farbe passt (nicht zufällig) zu meinen neuen Boots, die ich mir vor drei Ecken hab reinreichen lassen.
Ich schalte um auf Handsteuerung. Das Lenkrad schnurrt mir entgegen und rastet mit sounddesigntem „Whump“ ein (eine kleine Melodie spielt dazu). Das TV-Window schließt sich, das letzte Pop-Up warnt mich, dass ab jetzt mein Versicherungsrating wechselt. Die gleiche Nachricht, rot umflammt, erhalte ich noch mal 200 m später, als ich durch den Checkpoint Richtung Outside fahre. Raus aus der Corpzone. „Keine Versicherung für Unfälle, Diebstahl und Beschädigung jenseits dieser Grenze“. Ich weiß.

Der Verkehr stirbt schlagartig. Ich gleite an Baustellen vorbei, dazwischen einzelne Wohnblocks, die in verschiedenen Stadien des Abbruchs sind. Zehn Blocks später bin ich raus aus dem Randbereich und im Outside Sektor, der ehemaligen Zone, an deren frühere Härte und Freiheit wenig erinnert außer den Schrottbergen des ganzen Elektro-Trashs, der durch den satellitengesteuerten EMP-Puls funktionslos wurde. Was ein Geschäft für die Elektroindustrie. Landesweite Verschrottung durchsengter Apparate, TV-Sets, Kühlschränke, Computer, Konsolen, Cyberware. Alles, was während der Blockade grade eingeschaltet war. Angeblich bekamen orbitalfreundliche Konzerne ein Pre-Warning.

Langsam füllen die Straßen hier draußen sich wieder. Nur die Autos sind andere. Alte Schrottmühlen im Nomaden-Stil, robust, unverwüstlich, die Art Karre, denen ein EMP nur die Batterie und ein paar Sicherungen und Servos zerschießen konnte – nichts, was ein Techie nicht wieder hinbekommen würde.

Die Straßen gehören noch immer den Gangs. Die aber backen kleine Brötchen, um nicht die Aufmerksamkeit der Cops – ja, des guten alten NCPD – auf sich zu ziehen. Von der CorpSec aus dem Zentrum vertrieben, haben die Cops ältere, zum Teil sogar aufgegebene Reviere übernommen. Ausgestattet mit Waffen, Fahrzeugen und Überwachungstechnik der vorigen Generation – dem abgelegten Kram der CorpSecs, sozusagen – sind die Cops heute trotzdem besser ausgestattet als je zuvor. Sehr im Gegensatz zu ihren Gegnern, die EMP, Outlawing von Cyber und Waffentech und Xtrem Harassing heutzutage kaum noch vercybert sind. Und deren Bewaffnung sich in Grenzen hält. Vor allem in der Öffentlichkeit.

Ein paar Hoodies stehen auf der Straße und machen vor meiner Karre dicht. Einer kommt an mein Fenster, der Kopf unter einer Kevlar-Kapuze, eine Sonnenbrille mit irgendwelchen Upgrades, Piercing an den Augenbrauen, stemmt die Hände in die Hüften, so dass sich seine Jacke teilt und ich die 9 mm in seinem Gürtel sehen kann. Bestimmt packen 1-2 seiner Jungs auch was Heftigeres. Egal. Ich will mich eh nicht zoffen. Stattdessen greife ich langsam in die Mittelkonsole, hole ein Bündel Scheine raus – Outside ist eh der einzige Ort, wo man Bargeld noch nimmt – ziehe nen Zwanni und geb ihn ihm. Er überlegt, ob er auf Stress machen und mehr fordern soll, checkt meine NeoJacks – Trodes, die ich mir nach dem ReBoot neu zulegen musste – und dazu mein zerfurchtes Gesicht und weiß, dass er es mit nem Old School Punk zu tun hat. „Bones“, Knochen, wie man die paar von uns nennt, die noch im Outside abhängen und trotzdem nicht verhungert aussehen. Er grinst, nimmt das Geld, klopft mit der flachen Hand aufs Dach, sprayt sein Tag auf meine Haube (es wird sich durch in ihm enthaltene Naniten binnen 10 Stunden wieder auflösen) und schiebt ab.

Mit dem Tag auf der Haube bin ich safe vor weiteren Straßenabzockern dieser Gang und theoretisch dessen Tribes. Hängt davon ab, ob das System des Geldtransfers im Tribe funzt oder nicht. Wenn es funzt, geben die Gangs mit viel „Kundschaft“, also die mit Turf nahe der Corpzones und mit Durchgangsstraßen einen Anteil ihrer Beute an alliierte Gangs in ärmeren Gegenden ab. Dafür unterstützen die Gangs im „Hinterland“ ihre Genossen an der Front mit Manpower und Hardware, wenn es einen Turfkrieg mit einem benachbarten Tribe gibt. Meist funzt die Mikroökonomie. Manchmal aber auch nicht. Hängt davon ab, wie alt der Tribe ist und wer ihn managed. Im Falle der East-23rds, die zum Spook Tribe gehören, ist es ein Fixer namens Goosebump, der als verlässlich gilt. Zumindest was die Kontrolle seiner Jungs angeht. Allemal 20 wert. Gut angelegtes Cash.

Tatsächlich durchquere ich drei weitere Hoods der Spooks, ohne angemacht zu werden. Ich parke vorm R/Evolution, nicke dem Gangsta an der Ecke zu, ein Halbasiate, vielleicht von Hawaii, mit Flash-Tattoos an den Armen, dazu sündteure schneeweiße Kitaro Scaves (der lateste Turnschuh-Trend), und ich trete durch die bewusst verschmierte Glastür ins Halbdunkel des in der Hood schwer angesagten Clubs.

Wände und Decke sind mit Trash gestaltet. Gothic meets Giger. Die Kundschaft: schwer LoTek. Keine offene Cyberware. Ist gut gegen die Paranoia. Cyberware bedeutet CorpWare seit dem ´Boot. Speziell was größere Implantate oder ´Borgs angeht.

Eine in die Fußmatte eingearbeitete Waage gibt grünes Licht. Mein Gewicht ist normal. Menschlich. Auf einer kleinen Tanzfläche zur rechten zappeln ein paar Hedz – Musikjunkies, die sich ihre Lieblingsmucke direkt in Gehörimplantat oder Hirn spielen lassen. Und deren Bewegungen demzufolge nichts mit dem sanft wummernden Urban Groove zu tun haben, den die anderen Chiller im Club hören.

Ich treffe Mike – eigentlich MyKey – an der Theke. Sein Kopf ist rasiert – ist grade wieder mal in – sein Kinnbart sauber auf 3 cm gestutzt, der restliche Bart in ein kompliziertes Tribal rasiert (vielleicht ist es auch ein Implantat, ich weiß es nicht und es ist mir auch Wurst, ich will Business machen, nicht ihn poppen). Keys Augen sind cybermäßig versilbert, aber das sind nur Haftschalen. Anti-Scans. Modell IDProtect, entwickelt eigentlich für Celebrities, die mal ungetraced shoppen gehen wollen. Die Augen lässt sich heute kaum noch einer rausnehmen. Ist auch irgendwie krank, wenn man so im Nachhinein drüber nachdenkt. Über einem Spandex-mäßig engen Top mit Cybercrime-Logo trägt er eine offene weiße Flakweste (Alessandro Danté, NY) mit Dutzenden aufgenähten Taschen, dazu schwarze Ra! Baggies mit rotem Hassflasher an der Seite und Nike™ Combat Sneaker mit düster violett leuchtender Sohle. Er hat nen Keé-Knopf seitlich an der Stirn, Kirushi, ein sleekes schwarz-verschromtes Teil mit hastig pulsierender LED, und am Arm trägt er das dazu gehörige Slaveband, ein Handy-Armbanduhr-Computer-Notepad-Multi-Dingsbums, ohne das kaum jemand rumläuft heutzutage.

Außer NeoLudditen und Technikskeptikern, natürlich.

Ich gehöre zu Zweiteren. Schon der Straßenname „Sklavenband“ macht mich misstrauisch. Dass die Dinger so billig sind, trägt nicht zu meiner Beruhigung bei. Wer weiß, welche Nanotech inoffiziell in so nem Ding steckt. Oder welche SpyWare Goodies sich irgendwann nach dem Kauf unfreiwillig aus den Tausenden nützlicher Must-Have Upgrade-Daten runterladen.

MyKey sieht mich und stöpselt sich aus. Schön, dass es Leute gibt, die einen kennen. Wortlos reiche ich ihm eine verbeulte mehrschichtige Metalldose, wortlos legt er Slaveband und Hirnpiece hinein. Man kann heute nicht vorsichtig genug sein. Jetzt können wir reden. Ich weiß, dass Mike mich für einen Spinner hält. Sein Vortrag darüber, dass irgendwelche Nanosender ja ebenso gut in meinen oder seinen Klamotten sein könnten, der Typ neben uns an der Theke ein Snoop sein oder ein Satellit mit Ultrascannern mich auf Schritt und Tritt tracen könnte haben mir ne Woche lang Paranoiaschübe und Alpträume eingebracht. Jetzt habe ich GoEasy™ Tranqpillen von Temple, ich ignoriere, dass er absolut Recht hat, ignoriere ebenfalls, dass ich mir gerade von nem Mega gefertigte, vermutlich süchtig machende Persönlichkeitsveränderer reingedübelt hab, und konzentriere meine Paranoia auf sein Slaveband. Das ist zwar weltfremd, aber so komm ich klar. Ich hab keine Lust zu cracken und irgendwann wild um mich zu ballern, weil ich befürchte mich bei nem Typen, der mich komisch ansieht, mit Hirn-Naniten anzustecken. Brauch ich nicht. ECHT nicht.

„Wie geht’s?“, fragt Mike. „Cryo“, sag ich und bestell mir erstmal nen Frozen Florida und nen Snippet, mein Start in den Abend. „Macht der Job?“ fragt Mike. Ich zucke die Schultern. Fühle mich noch immer schmutzig dabei, nen geregelten Paycheck zu haben, auch wenn’s von ner straßentauglichen Corp wie Stormcrows ist. Gut, dass es meinen Kollegen da ähnlich geht. Die Stormcrows waren noch bis ´33 ein Nomadenrudel. Keine Ahnung von welcher Nation. Die ´Mad Nations sind eh Geschichte. Dann haben sie nen großen Baujob an Land gezogen, die EBM Enklave in Pacifica. Dann wurde wegen irgend einem Scheiß nachverhandelt, Versicherungsänderungen beim Auftraggeber, blah blah, da mussten sie ne Firma werden oder hätten den Job an MegaCon verloren. Jetzt sind sie ne Corp, und MegaCon steht alle Nase lang auf der Matte mit Beteiligungs- und Übernahme-Angeboten. Nicht um Männer und Material geht es in Wahrheit, nur um den EBM Job. Inzwischen ist die Stimmung am Kippen. Zu viele Unfälle, zu viele Lieferschwierigkeiten, Verzögerungen im Bauplan, dementsprechende Verzugszahlungen an den Bauherren, steigende Verpflichtungen, plötzlich unkooperative Banken, das ganze Zermürbungsprogramm. Ich und ein paar andere Ex-Punks arbeiten in der Sicherheit der Stormcrow Inc. In der Abwehr von Sabotage, Anschlägen und Extraktionen. Ein Fulltime Job. Der selten ein Happy End hat.
Das Gute ist: Man hat die Cops auf seiner Seite. Oder ich hab zumindest EINEN Cop auf meiner Seite. Wir haben uns über meine diversen Besuche auf dem Revier kennen gelernt, bei denen ich Anzeige gegen unbekannt im Auftrag der Crows erstattete. Er kann mir nicht helfen, bis ich was Solides in der Hand habe – und selbst dann wird das Verfahren vermutlich eingestellt – aber er fühlt wenigstens mit. Hat früher im Center gearbeitet. Regt sich auf über die CorpSecs, das Zweiklassen-Recht der ISA, die Orbitals, überhaupt alles. Wenn er nicht ne Familie hätte, würde er Guerilla gehen. Sagt er. Glaubt er vielleicht sogar. Und wer weiß, möglicher Weise stimmt’s.

Ich puste den Nebel von meinem Florida und nehme einen tiefen Zug. Downe den Snippet, genieße das cryo-kalte Feuer und lasse nachfüllen. „Wie weit bist du mit der Okano-Sache?“ presse ich hervor, die Phantomhitze noch immer in der Kehle. Mike zuckt die Schultern: „So weit wie letztes Mal. Was erwartest du auch? Du willst nem schlafenden Tiger ins Arschloch gucken, ohne ihn zu wecken. Entweder ich gehe kleine Schritte und schleiche Kilometer weit um die Wahrheit herum – was bedeutet, ich scanne die Daten aus der Zeit, wo Okano bei Arasaka in Ungnade gefallen war, nach dem Klon-Desaster mit Norcross, als er am sprichwörtlichen Fensterplatz saß, oder ich gehe an die Quellen ran, die enger am Puls sind. Und da sind die Chancen gut, auf ne Mine zu latschen.“ Ich weiß, dass er Recht hat. Aber ich weigere mich einmal mehr, die Niederlage gegen „die da oben“ zu schlucken. Erst Recht deshalb nicht, weil Okano SO weit oben – Orbital-oben meine ich – gar nicht ist. Nur eben verdammt nah dran.

Scheiße, Arasaka sah schon mal am Ende aus. Saburo tot bei der Zerstörung der Zentrale, Kei und sein rebellischer Bruder, wie immer der nochmal hieß, tot beim Einsturz der Night City Türme, das Familienvermögen durch den sinnlosen Konzernkrieg gegen Militech irreparabel geschädigt, große Teile der Man- und Hardware vernichtet. Wenn die Arasaka Bank nicht wäre und das alte Netzwerk aus Kontakten in Fernost, wäre der Konzern beerdigt. So wie die von Militech, die jetzt unter dem Namen „American Militech“ alleine durch Waffenproduktionen für die IS Truppen weiterwurschteln. Arasakas Geschichte würde sich nur fortsetzen, wenn ein männlicher Arasaka-Erbe auftauchen würde. Und den hatten gleich eine ganze Reihe Haie wie Okano vor, der letzten Erbin Saburo Arasakas in den sehr realen Schoß zu legen. Der Vorsitz eines Seiji Okano als Chef von Arasaka wäre vorübergehend. Nur, bis der Sohn die Geschäfte übernehmen kann. Aber in 20 Jahren kann viel passieren. Speziell dann, wenn man sich Okanos Geschichte und dessen exzellente Kontakte zur Klonbranche ansieht.

Dass ich überhaupt auf Okano aufmerksam wurde, war eher Zufall. Sein Name war mir durch die Berichte – mehr den Straßentalk, als es so was noch gab – im Zuge des Klonskandals noch irgendwie bekannt. Auf ihn aufmerksam wurde ich jetzt aber durch meine Arbeit für die Stormcrows (ja, gut, die Stormcrw Corporation), zu der u.a. das Durchleuchten von MegaCon und deren Vernetzung mit der Stadtverwaltung, dem Konzernrat und dem kleinen, aber speziell nach dem Ende der Arasaka-Türme ungewöhnlich einflussreichen „Night Club“, korrekter: der Night City Business IG.

Dem „Club“ nämlich gehört neben Kurosawa Kenzo, dem MegaCon Vorsitzenden, auch Okano an. Gelistet zunächst für DMS, dann – überraschend und sans commentaire – wieder für Arasaka, der Firma, die er noch unter Saburo feindlich zu übernehmen versuchte und die ihn – schon damals seltsamer Weise – nicht umbrachte, sondern zu DMS „transferierte“.

Natürlich ist mir klar, dass ich gegen Okano und sein Netzwerk nichts tun kann. Die Zeiten, wo ein Punk mit den richtigen Connections in der Szene und den Medien einen Großindustriellen ins Wanken bringen konnte, sind passé. Meine Contacts in der Medienszene machen News nach Vorgabe oder sind im Ruhestand. Meine Solo-Kumpels wurden rekrutiert, gedanced und reprogrammiert oder sind abgetaucht. Und was die Netrunner angeht: seit die Megas ihre sensiblen Daten vom Netz genommen und in Datentresore versenkt haben, ist Hacking nur noch ein trauriger Schatten einstiger Glorie.

Trotzdem. Irgendwo in mir rührt sich noch ein Rest von Punk. Vielleicht ist es der sentimentale Impuls von jemandem, der auf seine MIdlife Crisis zustolpert. Vielleicht ist es nur etwas, was mein Hirn wach und in Gang hält. Oder mich von der Vielzahl meiner undiagnostizierten Psychosen ablenkt. Aber ich habe wieder begonnen, Fragen zu stellen. Und auch, wenn niemand je die Wahrheit erfahren wird, die ich vielleicht finde, auch, wenn es dafür ken Cred gibt, keine Rep, nur einen Stun-Shock und ein weißer Van, der mich abholt und in eine Hirnfarm schafft:

Ich will das Licht der Wahrheit noch einmal sehen.
Link (0 Kommentare)   Kommentieren