SHADOWRUN | Reality Check
Topic: 'SR-articles'
Berlin 2071. Wo die Konzernsektoren voranschreiten, muss das Alte weichen. Im Bild die im Abriss begriffene Zionskirche vor der beleuchteten Baustelle der ERIS Holdingzentrale. Links im Bild die (noch) freischaffende Taxi-Riggerin Zoé.


Die Wahrheit zum Status F

Über den Status F und die Anarchie in Berlin ist eine ganze Menge geschrieben, berichtet, verfilmt und verbreitet worden. Was viele vergessen, ist allerdings, dass gut 3⁄4 von dem ganzen Material über Berlin pure Fiktion ist: Abgedreht als spannendes Setting für eine Krimiserie oder als grandiose Kulisse für den aktuellsten Horrorschocker über einen Schattenläufer, der zum Serienkiller wurde. Weil eine Stadt ohne Polizei, da kann sich der Württemberger so richtig drüber gruseln. Und Berlin war denen schon immer suspekt.

> Das ist doch nix Neues. Das war doch schon seit -Scheiße- dem letzten Jahrhundert so.
> Hobbs

> Wenn das nix Neues ist, warum kommentierst du es dann?
> Fabian454

> An sich geht das Berliner Gespenst schon seit weit früherer Zeit um. Schon unter Bayernherrschaft wurde sich über die ärmliche Drecksprovinz voll Sumpf und Sand – und natürlich Raubritter und Zeugs – am Hofe Ludwigs gegruselt.
> Der_Ewige_Student

> Raubcritter?
> Hobbs

> RITTER!! D.E.S. bringt zwar einiges durcheinander, aber im Kern stimmt's schon. Zwischen Berlin und dem Rest Deutschlands klafften schon immer Welten.
> Dr.Zonk


Mein absoluter Favorite als mediales Klischee ist die Szene, in welcher der Protagonist des betreffenden Streifens auf der Suche nach Informationen nach Berlin fliegen muss, wo er sich – natürlich im Gore – mit dem elfischen oder orkischen Russen-Schieber trifft, der dann während des Dialoges nonchalant den Servierdeckel lüftet, unter dem dann Freundin, Partner oder Tochter des Protagonisten liegen. Mit ohne Kopf. Oder mit ohne Körper. Je nachdem, ob frei ab 18 oder 12.

Mein zweites Lieblingsklischee ist die unweigerlich danach kommende Autofahrt durch Berlin, wo der Protagonist der Story – natürlich im gepanzerten, Vindicator-bewaffneten Taxi – ganz nebenbei von irgendwelchem „Anarchisten-Abschaum“ (Zitat des Taxifahrers) mal eben mit Lenkraketen beballert oder von Graffitti übersääten Panzern von der Brücke gerammt wird.

> Also den Graffitti übersääten Panzer gab's. Der hat mir auf der Kreuzung Leopoldplatz die Vorfahrt genommen und meine Karre platt gewalzt!
> Gabriel

> Hey, Mann, ich hab doch GESAGT, dass es mir leid tut. Das Ding hab ich auf ner Kasernen-Auktion gekriegt – und Fahrschulen für Panzer gibt's nunmal keine.
> Panzerboy

> Von deiner Entschuldigung kann ich mir nix kaufen. Aber Danke für Übersendung deines Profils.
> Gabriel

> WHAT? Oh, [zensiert], ich [zensiert] [zensiert].
> Panzerboy


Das Gefährliche an diesen und anderen archetypischen Berlin-Bildern, die sich fast in jedem in Berlin spielenden Streifen finden lassen, ist nicht, dass es sie gibt, sondern dass sie dem Betrachter das Gefühl geben zu wissen, was in Berlin abgeht. Das führt im schlimmsten Fall zu solchen Schwachsinnsbeschreibungen wie im „Deutschland in den Schatten“, das vor einigen Jahren mal im Deutschen Schattenland zum Download lag.

Ganz offenbar schrieb der Autor einfach runter, was er über Berlin irgendwann mal im Trideo gesehen hatte, gefährlich vermischt mit ein paar Brocken Wahrheit, die er sich vermutlich aus DeMeKo-Illustrierten gezogen hatte.

In diesem Einleitungskapitel möchte ich in unsortierter Reihenfolge die bekanntesten „Urban Myths“ über Berlin beleuchten und – sofern sich überhaupt ein Körnchen Wahrheit in ihnen befindet – dieses klarstellen. Viel Fun damit!

Schöner Menschenfressen in Berlin

Der wohl bekannteste „Fakt“ über das Leben in Berlin unter dem Status F ist, dass es in Berlin Restaurants gibt, in denen „legal“ Menschen und Metamenschen als Speise angeboten werden.

> Gab es NICHT? *wunder*
> GoogleEyes

> NEIN!!
> Der_Ewige_Student


Am Häufigsten genannt wird hier das Gore in der Schumannstraße, wo es – ich zitiere das DidS - „haarige Orknasen“ und „zarte Filetstücke weiblicher Lenden“ geben soll. Diese Legende fußt wie jede andere ähnlich gelagerte Legende auf der wunderschönen Theorie, dass nur das Bürgerliche Gesetzbuch und der starke Arm des Gesetzes den Menschen daran hindern, sich gegenseitig zu fressen, zu vergewaltigen oder Kaffee aus der Hirnschale des Nachbarn zu trinken.

Eine hübsche Ansicht – und nützlich für die rechte Lobby – aber totaler Quatsch.

[Volumenüberschreitung. Die folgenden Kommentare wurden in den Thread "Linke Lügen über die rechte Szene" verwandelt und ins Schattenland gestellt]

Es dauerte ziemlich genau 45 Minuten, nachdem das DidS-File ins Schattenland hochgeladen war, da wurde das Gore – das es tatsächlich gibt – von aufgebrachten Leuten gestürmt, die durchaus etwas dagegen hatten, ein Kannibalen-Restaurant in ihrer Nachbarschaft, ihrem Kiez, Bezirk, ihrer Stadt oder auf ihrem Planeten zu haben. Wie sich herausstellte, war die Kannibalismus-Schiene des Gore nur ein „Marketing-Gag“, mit welchem der (japanische) Inhaber versuchte, eine besonders zahlungskräftige Kundschaft anzulocken. Das fragliche Fleisch – das von den keineswegs überzeugten „Anfragern“ in einem Labor der FU überprüft wurde – war mit Soya durchmengstes Rindfleisch im besten und Rattenfleisch im schlimmsten Falle. Die fraglichen „Körperteile“ waren nur aus Soyamasse nachgeformte Attrappen (made by Cryolan).

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> Verdammter Spam
> Frogger


Kurz gesagt: Der Inhaber konnte die Sache klarstellen und wurde nicht gelyncht, seine Kunden waren über den „Betrug“ aber so vergrätzt, dass der Laden schließen musste, um wenig später von einer DeMeKo-Filmproduktionsfirma als Drehort und Schockertouristen-Nepp-Location übernommen zu werden. Seitdem ist das Gore ein doppelter Fake, der immer wieder die anarchistischen Idealisten aufregt, weil die „Gore-Stories“ negative Propaganda über den Status F erzeugen. Aber damit ist es nun ja wohl auch vorbei. End of Story.

My Car is my Castle

Geht man nach den Informationen aus dem DidS, dann sind Berliner Autos bis an die Zähne bewaffnet und gepanzert, fahren in Schlangenlinien ohne Beachtung irgendwelcher erkennbarer Gepflogenheiten des Verkehrs mit 300 km/h durch die Gegend, dabei beständig beschossen von MGs und Raketenlafetten, die wohl jeder irgendwo zu Hause herumstehen hat (Verdammt! Wo hab ich sie nur hingetan?) um dann, wenn das Auto endlich zerbombt ist, umgehend bei der Niederlassung von EMC einen neuen “rasanten Kleinwagen“ zu erwerben.

[Volumenüberschreitung. Die folgenden Kommentare wurden in den Thread "Berliner können nicht Auto fahren" verwandelt und ins Schattenland gestellt]

Leute, vergesst es! Im ersten Jahr nach Ausrufung des letzten Gesetzes fand in der Tat eine „natürliche Auslese“ statt, die aber weniger mit dem Wegfall der Verkehrsregeln als vielmehr mit massenweisem Autodiebstahl zu tun hatte. Bestimmte bessere Autotypen wurden bestimmt 4, 5, 6 mal gestohlen, ehe diese dann in der Tat bei einem Verkehrsunfall oder einem an einer Autobombe gescheiterten Diebstahlversuch ihr Leben aushauchten. Was in Berlin verblieb, waren durch die Bank solche Schrottkarren, die kein Autohehler auch nur mit dem Arsch angeguckt hätte. Und ein zwei Luxusschlitten der „Herren der Straße“, bei denen jedem klar war, dass es das Todesurteil bedeuten würde, diese auch nur anzudellen.

Auf dieser Basis hätte durchaus dauerhaft ein geregelter Straßenverkehr stattfinden können (siehe „Schöner Menschenfressen“: Nur weil es keine Politessen mehr gibt, bedeutet das nicht, dass jeder fortan Kinder auf dem Zebrastreifen überfährt). Wenn nicht die Basis des Verkehrs, nämlich Treibstoffversorgung und Straßensanierung, zusammengebrochen wären.

[Volumenüberschreitung. Die folgenden Kommentare wurden in den Thread "Kennt eigentlich wer günstige Tankstellen im Osten?" verwandelt und ins Schattenland gestellt]

[KOMMENTARE GEBLOCKT]


> Kann mal einer die Kommentarfunktion blocken? Der ganze Text hier wird total vollgemüllt von Leuten, die wo sich gerne reden hören
> Zedd

> Die wo?
> Der_Ewige_Student

> Ja, die wo! Slotte dir mal die neue Duden-Edition, da steht's drin.
> Zedd

> Tatsache... Ich geh mich dann mal aufhängen.
> Der_Ewige Student

> Viel Spaß dabei
> Zedd

> Mach's gut!
> Lora

> War fein mit dir!
> Grutz

> Vergiss nnicht, deinen DocWagon Piepser abzustellen!
> Grummel


Wie ich weiter unten noch feststellen werde, klappte in Berlin unter dem Status F zuletzt die Nahversorgung ganz vernünftig – woran es immer haperte, war die Regelung stadtweiter oder bezirksweiter Angelegenheiten, und da gehörte die Straßensanierung eindeutig dazu. Selbst die zuletzt gebildeten Kiezkassen konnten zu keiner vernünftigen Lösung beitragen, da (a) die Finanziers der Straßenreparatur vor Ort gar nicht die primären Nutznießer der Reparatur wären (denn über die Straße fährt ja jeder), da (b) die Zahl der Autofahrer ohnehin in freiem Fall war und (c) da die Straßenbaufirmen aberwitzige Summen für die Arbeiten verlangten, befürchtend, in Berlin dauernd von Raketen beschossen zu werden.

Fassen wir zusammen: Um in Berlin Auto fahren zu können, muss man zum einen ein Auto haben, dass so erbärmlich ist, dass es nicht gestohlen, gekapert oder die Familie entführt wird, um die Herausgabe des Startcodes zu erpressen. Zweitens fallen andauernd Reparaturkosten an für Schäden an Achsen und Federung wegen dem beschissenen Zustand der Straßen. Drittens muss man für die wenigen Straßen, die gepflegt werden, Straßengebühren an die lokale Kiezkasse oder Gang entrichten. UND dann kostet der Treibstoff auch noch leicht das Zehnfache wie im Rest der ADL, da Versicherungen grundsätzlich kein Gewerbe im anarchistischen Berlin abdecken und die Betreiber der (wenigen) Tankstellen ungeheure Zusatzaufwendungen für ihre Eigensicherung haben. Und dann soll sich der Berliner Autofahrer auch noch regelmäßig EMC Neuwagen kaufen? Wohl kaum!

Er wird das tun, was er tatsächlich tut, nämlich seine Wege nach Möglichkeit verkürzen (sich. „einkiezen“) und diese verkürzten Wege zu Fuß, mit Taxi, Bus oder Bahn zurücklegen. Ganz so, wie es heute auch immer noch im Osten Usus ist (und selbst der Konzernwesten legt die alten Gewohnheiten der F-Zeit nur langsam ab). Mehr dazu im Kapitel „Leben und Sterben in Berlin“.

Show and Tell

Zu meinen weiteren Lieblingslegenden zählen die angeblich unter großem Hallo der Menschenmenge stattfindenden öffentlichen Häutungen der Kreuzritter ebenso wie die lispelnden verpickelten Grünen Barden, über die das DidS sagt, es sei in Berlin ein ungeschriebenes Gesetz, dass eine Frau deren Werben nachzugeben habe. Ich weiß nicht, was der DidS-Autor da geslottet hat, ob das ein Horror-BTL war oder doch nur die Teleillustrierte seiner Ma, jedenfalls fällt dieses und vieles vieles mehr in die Kategorie „erst denken, dann glauben“.

Nehmen wir an, an deiner Straßenecke wird jemand gehäutet. Stellst du dich dann hin, kaufst dir eine Tüte gesalzene Orknasen aus dem Gore und applaudierst? Hey, selbst wenn du total abgestumpft sein solltest gegen das Leid anderer, sollte dir klar sein, dass du der Nächste sein könntest. Oder dein Sohn, deine Schwester, dein Pa oder dein Dackel. Das denken sich jetzt so hundert Leute, die da zusammen herumstehen und sechs Typen beim Häuten zusehen. Was passiert? Genau das. Nur schneller. Und weil das die Typen mit rotem Kreuz auf dem Shirt wissen, dass das passieren würde (die sind nämlich auch nicht doof) machen sie auch derartigen Scheiß nicht. Oder zumindest nicht öffentlich.

Dito was die Barden angeht: Du bist eine Frau, ein verpickelter Typ lispelt dir die Ohren voll mit einem schief gesungenen Liebeslied und meint, es wäre ungeschriebenes Gesetz, dass du jetzt mit ihm schlafen musst. Machst du natürlich sofort. Nicht! Sondern? Genau! Und das war's mit dessen Fortpflanzungsplänen. End of Bard's Tale.

Hilfe, Bullizei!

Wie bereits mehrfach gesagt, bedeutet die Gesetzlosigkeit des Status F nicht, dass völlig normale Bürger plötzlich ihren Nachbarn aufessen, vom Fluglärm genervt mit SAMs auf Flugzeuge in der Einfluschneise Tegel ballern oder den Typen an der Imbissbude abstechen, weil sie vergessen haben ihr Portemonnaie mitzunehmen.

Das ist der Punkt, wo die „Sokaren“ ins Spiel kommen, die wir einfach mal als „Gesunder Menschenverstand und allgemeines Empfinden von Recht und Üblichkeit“ nennen wollen. Das klingt zwar weniger intellektuell-spiritistisch, dafür kapiert aber jeder, was damit gemeint ist. Aber wie wehren sich Bürger unter dem Status F gegen jene wenigen schizoiden Irren, die es nunmal gibt, und die dank Slotting von zu vielen Splatter-BTMs nach Berlin gefahren sind, um „Urlaub zu machen“ - UND die keinerlei Menschenverstand oder sonstige Menschlichkeit besitzen?

Nun, dass es keine Polizei mehr gibt, bedeutet ja nicht, dass es niemanden mehr gäbe, der derartige Irre aufhalten würde. Es ist eben nur nicht mehr die Polizei, sondern die Bürgerwehr bzw. wenn man sich wirklich unpopulär gemacht hat der Lynchmob.

Das Bedürfnis nach Sicherheit ist in Berlin nämlich ebenso groß wie überall sonst auch. Der Unterschied ist, dass unter dem Status F schnell neue Strukturen entstehen mussten, die diese Sicherheit anstelle von Polizei und Gerichten herstellen konnten. Eine Aufgabe, für die speziell wir Deutsche ja wie geschaffen waren! Endlich nach Herzenslust selbst für Recht und Ordnung sorgen. Hurra!

Berlin ist unter dem Status F vor allem eines gewesen: Ein El Dorado für jeden Waffenhändler mit Eurokrieg-Restbeständen und jeden Sicherheitsdienstleister von A wie Alarmanlagen bis Z wie Zahlungseintreiber. Und weil es sehr teuer ist, wenn jede Familie eines Hauses sich einen eigenen Leibwächter besorgt, entstanden schnell Haus-, Block-, Straßen- und Kiezverbände, die bestimmte Aufgaben innerhalb des Verbandes verteilten bzw. Unternehmen oder Freischaffende als Verband engagierten.

Nebeneffekt dieser Entwicklung war – und ist – ein neuartiges Gefühl der Verbundenheit im näheren Umfeld: Die Anonymität der Großstadt wurde zum Kiez-Mikrokosmos. Mit jeder Menge Lokalpatriotismus. In dem ein verdächtiger Sonderling oder ein Verweigerer von Zahlungen für die Nachbarschaftskasse nicht lange unentdeckt bleibt.

In vielerlei Hinsicht funktionierte das Status-F-System sogar besser als das vorherige System von „Recht und Gesetz“ - zumindest kann niemand bestreiten, dass die öffentliche Zurschaustellung der Leiche eines Drogendealers oder Berichte brutaler Kastrationen bei einem Vergewaltiger einen größeren Abschreckungseffekt darstellt als solche Leute über Nacht einzubuchten und am nächsten Tag mit frisch gebügeltem Hemd gegen Kaution freizulassen. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass buchstäblich jeder, der „verdächtig aussieht“ ins Visier von Kiezstreifen, den wieder in Mode gekommenen „Blockwarten“ oder Hobby-Denunzianten geraten kann. Und wer sähe schon verdächtiger aus als ein Schattenläufer?

Das Unorganisierte Verbrechen

Das DidS-File behandelt das organisierte Verbrechen nur in Form einer Randnotiz, als stelle dieses keinen nennenswerten Faktor in Berlin dar. Das Gegenteil ist natürlich der Fall. Wenngleich in verwandelter Form.

Es stimmt zwar, dass verschiedene klassische Geschäftszweige des OV sich in Berlin unter dem Status F erledigt haben, weil entweder die Opfer zu bewaffnet waren, um sich weiter einfach so einschüchtern zu lassen, vor allem aber weil es plötzlich Unzählige neue Wettbewerber gab, welche die Marktpreise für Hehlerei, Schiebergeschäfte, Drogenhandel und Prostitution gehörig verdarben. Aber das OV wäre nicht, was es ist, wenn deren Köpfe nicht schnell neue Tätigkeitsfelder entwickelt hätten.

Ein Beispiel hierfür ist die Berliner Kiezleben, ein 2050 gegründeter Versicherungsverein der Jugoslawenmafia. Oder das Kaufhaus Schadow, welches der Russenmafia gehört und vor der „Befreiung“ des Bezirks durch Konzerntruppen Berlins größte Warenhausabteilung für vollautomatische Waffen beherbergte. Die organisierten Banden erkannten schnell, dass sie unter dem Status F letztlich das „legal“ und öffentlich betreiben könnten, was sie zuvor zwar bekannter Maßen, aber eben verborgen durchführten. Aus Schutzgelderpressung wurde Gebäudeversicherung – mit realer Sicherheitsleistung. Aus Waffenhehlerei wurde offener Ladenverkauf – mit dem „guten Namen“ der Verbrechensorganisation als „Qualitätsmarke“ für geprüfte Qualität, im Gegensatz zur No-Name-Hehlerware des anonymen Eckendealers.

Damit sind wir am Ende des ersten Überblicks. Ich könnte zwar noch beleuchten, warum es schon wirtschaftlich totaler Unfug ist, dass in Berlin Magier angestellt werden, um Müll zu beseitigen (die teuerste Müllabfuhr der Welt! Um verfickten SMOG zu verhindern!!! Von Autos, die keiner fährt??), aber ich vertraue darauf, dass diese kurze Erörterung den Blick des Lesers so weit geschärft hat, dass dieser zukünftig die Scheiße selber am Geruch erkennt, die ihm in Files, Artikeln oder Filmbeiträgen präsentiert wird.

> Was mich ja immer stört bei dieser ganzen Anarchie-Geschichte ist diese unausgereifte "herrschaftslose" Idee. Anarchie und Anarchismus sind, auch wenn die Tagesschau das anders auslegen mag, zwei sehr verschiedene paar Schuhe. Entweder haben (oder hatten) wir es hier mit einer organisierten Bewegung zu tun, die klare Vorstellungen von einer (neuen) freieren Gesellschaft hat, mit einem ansatzweise homogenen Modell von Ökonomie und Zusammenleben (Familie, Geschlecht, Status), das zudem eine nachvollziehbare Entscheidungsstruktur ihrer Mitglieder aufweist – geschichtliche Beispiele sind hier vor allem der spanische Anarchismus, die Machnowiki in der Ukraine, Kronstadt in der UdSSR oder auch die Pariser Kommunarden – oder wir hatten es bestenfalls mit Aufständen zu tun, in denen der staatliche Herrschaftsanspruch aufgrund der Kräfteverhältnisse zusammenbricht. Das hier anfallende Machtvakuum wird – zumeist völlig chaotisch – von lokalen Oligarchen oder Ochlokratien (Herrschaft des Mobs) ausgefüllt. Anarchistische Ideen treten allenfalls partiell auf und ohne in eine überlebensfähige Struktur eingebunden zu sein (ähnlich anderer Anarcho-Kommunen). Beim Status Ferlin schien es prinzipiell um Zweiteres zu gehen, allerdings weicht die Polemik dabei ständig ab. Wer kämpft denn da? Anarchisten oder schlichtweg Banden, die ihr Territorium verteidigen? Gab es überhauptein angestrebtes Ideal, das nicht erfüllt werden konnte/kann, oder geht es schlicht um "wer zuerst kommt mahlt zuerst"? Hier wird sich nicht selten widersprochen. Wenn ihr mich fragt, liebe Berliner Anarchos, dann müsst ihr diese Frage für die "Anarcho Zonen" irgendwie beantworten. Zumal es wesentlich schwerer ist eine Region zu "befrieden" wenn man nicht nur gegen Menschen, sondern auch gegen eine verankerte Idee antreten muss.
> Achso

> Fick dich du Arsch! Wir müssen gar nichts erklären.
> Bomberman

> Die grobe Antwort-Formel, die ich aus der Geschichte des Status F herauslese, lautet wie folgt: Die anarchische Bewegung war zunächst ein "spontanes Ereignis", das durch das historische Zusammentreffen an sich völlig VERSCHIEDENER Gruppen/Strömungen/Ursachen entstand (hierunter vor allem zu nennen eine starke Deutschland-, Politik- und Konzernmüdigkeit, eine aktive linksintellektuelle Studentenbewegung, die Eurokriege und dann die Goblinisierung und die Nacht des Zorns. Die "Aufgabe" der Stadt seitens der Politik war weniger ein Sieg einer anarchistischen Bewegung, als es der Zusammenbruch und das Versagen der Politik und der Verwaltung war. Es war also kein "echter Bürgerkrieg", nur "bürgerkriegsähnliche Zustände", denen die Politik zwischen Eurokrieg, Goblinisierung, Zerfall der BRD und Aufständen auch an anderen Stellen (z.B. Hamburg) schlicht nicht gewachsen war. Nach Aufgabe der Stadt entstand ein Machtvakuum, ohne dass es eine vereinigende Leitidee oder die "Vision" eines Neuen gegeben hätte. Im Gegenteil gab es und gibt es eine starke NIHILISTISCHE Strömung, die im Erwachen der Sechsten Welt keinen NEUANFANG, sondern eine APOKALYPSE sah. Die Erklärung des "Status F" durch einige studentische und politische Wirrköpfe wurde deswegen akzeptiert, weil niemand eine bessere Idee hatte und zu viele Gruppen (speziell auch metamenschliche) glaubten, den neuen gesetzlosen Status zu ihrem Vorteil nutzen zu können. Als absehbar wurde, dass dies nicht oder nur bedingt der Fall war, brach die Unterstützung für "das anarchistische Ideal" (DAS ES NIE GAB IN BERLIN!) endgültig zusammen. Damit entstand eine neue "Berliner Frage", nämlich die, wer denn bitte Berlin übernehmen und neu aufbauen soll? Die ADL-Regierung will (und kann) es nicht aufgrund der Finanzsituation, die Konzerne haben von einer Gesamtbeanspruchung Berlins ebenso unter Kosten-Nutzen-Aspekten nichts zu gewinnen und picken sich daher "die Rosinen aus dem Kuchen". Was in Berlin aktuell anarchisch bleibt, ist in Wahrheit nicht anarchisch, sondern einfach nur Ghetto oder Kriegswüste: Die Gebiete, die keiner haben will, die Unsummen bräuchten, um sie wieder in Stand zu setzen, für die keiner zuständig sein will. In diesen sind zwar noch immer Intellektuelle und Utopisten aktiv und die Policlub-Szene blüht, aber eine vereinende Idee gibt es ebenso wenig, wie es sie JE gab. Für die Zukunft der anarchistischen Gebiete zeichnet sich ab, dass diese in Kieze zerfallen werden, zumeist oligarchisch regiert, immer aber in "Themen"/Lebensgruppen zergliedert (z.B. Ork-Kiez, Linkalternativer Öko-Kiez, Künstler-Kiez, Fascho-Kiez). Sämtliche Ordnung, Verwaltung und Lebensorganisation beginnt und endet auf der Kiezebene (wenn überhaupt). Über kurz oder lang werden meiner Ansicht nach externe Kräfte in den Zonen aktiv werden müssen, denn jene Gebiete sind perfekte Brutstätten/Zentren/Drogenlager/Terroristen-Ausbildungsstätten, und sobald Gewalt oder Verbrechen aus den Berliner Ghettos das näher rückende Leben in Normal-ADL-Deutschland stören, MÜSSEN Konzerne und Politik das Übel "an der Wurzel" auslöschen. Ob dies dann aber dazu führt, dass die Zonen kontrolliert werden, oder ob das einfach bedeutet, dass im gesetzslosen Raum der Zonen Bedrohungen der ADL-Sicherheit "radikal" beseitigt werden, bleibt abzuwarten. Mir scheint jedenfalls, dass schon mit der Schaffung der Zonenpolizei 2056 der Grundstein dafür gelegt wurde, die Schwarzen Zonen stets soweit unter Kontrolle zu haben, um „Endlösungen“ mindestens auf unbestimmte Zeit hinausschieben und im Idealfall gänzlich vermeiden zu können.
>The_Marxist